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DoP Alexander Kohn schoß Kurzfilm "Psykhe" auf der ARRI ALEXA 65

Reise durch die Zeit

Eine allegorische Geschichte über das Leben und die Zeit, gefilmt auf der ARRI ALREXA 65 und mit gezieltem Einsatz von visuellen Effekten: Das ist der Kurzfilm “Psykhe”. Timo Landsiedel sprach für unser Heft 11.2019 mit dem Team und stellt die ungewöhnliche Kooperation zwischen Produktionsfirma imago.TV und der Filmuni Konrad Wolf vor.

Kleine Entscheidungen haben große Auswirkungen. Das gilt für das Leben, wie auch für Filmteams. Ein kleiner Junge entscheidet sich zu Beginn des Zehnminüters “Psykhe” dazu, einen Schmetterling vor dem Tod zu bewahren und schlägt damit einen Weg ein, dessen Auswirkungen ihn sein ganzes Leben begleiten. Genau wie in dieser Allegorie entschied sich vor Jahren eine Gruppe junger Filmemacher dazu, fortan gemeinsam größtenteils selbst finanzierte Projekte umzusetzen, was seitdem ihre Arbeit stetig beeinflusst. Denn ihre Ziele sind oft hochgesteckt. Bei der Umsetzung ließen sich die um die Neckarsulmer Produktionsfirma Imagis.TV angesiedelten Kreativen auch nicht von Studienaufenthalten in Spanien oder Budgethürden aufhalten. Ihren Kurzfilm “The Sands of Summers Past” drehten sie an der Küste Dorsets, weil sich Regisseur Joshua Krull und Produzent Michael Stadler in die Bilder aus “Broadchurch” verliebt hatten. Dass dies keine amateurhafte Schwärmerei war, sondern ein bodenständiges Stück Kurzfilmkino hervorbrachte, kann auf Amazon Prime Video begutachtet werden. In Ausgabe 10.2016 berichteten wir über die Dreharbeiten.

PREISGEKRÖNTES DREHBUCH
Beim aktuellen Projekt “Psykhe” gab es auf entscheidenden Positionen Neuzugänge. DoP Alexander Kohn hatte bei “Sands” die Position des Oberbeleuchters inne und wechselte jetzt auf den Stuhl hinter der Kamera. Er ging den klassischen Weg über Kurzfilme zur Schulzeit, erste Kameraassistenzen nach dem Abitur – unter anderem beim Berlinale-Geheimtipp “Toro” – und immer wieder unabhängige Produktionen, bei denen er für die Bildgestaltung verantwortlich war. Ganz neu im Team war Victor Schwarz. Nach einem Studium der Wirtschaftsinformatik in Konstanz kam Schwarz nach Stuttgart, studierte dort an der Hochschule der Medien und arbeitete parallel bei Mackevision als VFX Koordinator, unter anderem an “Game of Thrones”. Mit seinem Stuttgarter Abschlussfilm bewarb er sich in Potsdam-Babelsberg an der Filmuni. “Psykhe” ist sein Abschlussfilm im Studienfach Produktion.

Mit Regisseur Krull plant Schwarz schon länger eine Zusammenarbeit. Das Drehbuch für den Langfilm, der dann entstehen soll, stammt von Vera Mark. Wie auch Krull, Stadler und Kohn schätzt Schwarz die Chancen am Markt sehr realistisch ein: “Wir sind noch nicht an einem Punkt in unseren Berufswegen angekommen, wo wir ein solches, großes Projekt umsetzen können.” Zudem unterstützt die Filmuni aus Ressourcengründen seit wenigen Jahren keine Langfilmprojekte mehr als Abschlussfilm.

Zu Beginn von “Psykhe” entdeckten Krull und Schwarz das Skript von Drehbuchautorin Vera Mark neu. Dieses hatte 2015 in der “Create50”-Kategorie bei den British Screenwriters Awards den ersten Platz belegt. Das Drehbuch erzählt seine allegorische Geschichte in kurzer Zeit auf höchst visuelle Weise und eignete sich laut der Macher hervorragend für eine Kurzfilmumsetzung nach ihrem Gusto. Schnell waren Michael Stadler als Ko-Produzent und DoP Alexander Kohn mit im Team. Früh stand schon fest, welche Technologien zum Einsatz kommen sollten. “Ich glaube, das fällt schnell auf, wenn man das Drehbuch liest”, sagt DoP Alexander Kohn. “Der Film muss visuell fließen, einen Sog erzeugen. Das erreichen wir durch diese Metapher des Schmetterlings. Und da ist auch schon klar, dass wir an visuellen Effekten nicht vorbeikommen.” Schon für den Langfilm planten Krull und Schwarz eine Produktion in HDR mit der ARRI ALEXA 65. Der Kurzfilm brachte eine hervorragende Chance, das in kleinem Rahmen auszuprobieren.

ÄSTHETISCHER ÜBERBAU
Im Januar 2019 erwarb Produzent Schwarz das Drehbuch von Vera Mark, im Februar sprach das Team auf der Berlinale die ARRI-Vertreter an. Würden die Münchner das Projekt unterstützen? Der internationale Drehbuchpreis machte Eindruck. Auch die Tatsache, dass die Kreativen sehr exakt sagen konnten, warum genau dieses Projekt so geeignet war und wo sie VFX und HDR gezielt zum Storytelling einsetzen wollten, ließen ARRI zustimmen. Im März 2019 gab es dann Gespräche mit der Dolby Laboratories und der Rotor Film, welche die Postproduktion in Dolby Vision umsetzen würde. Im April wurde gedreht.
Die Vorbereitungen starteten schon im Frühjahr. Regisseur Joshua Krull begann auch bei “Psykhe” mit dem Anlegen eines eigenen, skizzenhaften Storyboards und damit einer vorab-Auflösung, die als Diskussionsgrundlage für seine Gespräche mit DoP Alexander Kohn dienten. “Ich finde es gut, dass Joshua viele, klare Vorstellungen hat”, sagt DoP Kohn. “Es ist sehr fruchtbar, gemeinsam darüber nachzudenken, wie man das erzählen will.” Der Dialoganteil im Buch ist gering, weshalb die Umsetzung dessen in Bilder umso mehr die Erzählung trägt. So entwickelte Kohn schnell eine visuelle Sprache, die der Tatsache Tribut zollt, dass der Film über viele Zeitebenen hinweg spielt. “Wir mussten eine Grundästhetik finden, die trotzdem zu jeder Zeitebene passt”, so Kohn. “Nicht, dass alles gleich aufgelöst wird, sondern, dass es einen Überbau gibt, einen gemeinsamen Nenner.”

Er wählte dafür bei den Dreharbeiten oft die zentralperspektivische Kadrage. Das Lichtkonzept unterstützte hier, es wurde durchweg versucht, ein sommerliches, positives Lichtgefühl zu vermitteln. “Die positive Energie des Films sollte nicht durch die traurigen Momente der Erzählung gebrochen werden.” Dabei war das Sonnenlicht ein starker Faktor. Wenn es ging, arbeiteten Kohn und sein Team um Oberbeleuchter Sebastian Ganschow mit der echten Sonne, lenkten ab und zu einen Flare mit dem K-Flext-Reflektorsystem in das Objektiv hinein. Wenn die echte Sonne nicht zur Verfügung stand, baute Kohn diese mit Dinolights nach und leuchtete von außen. Eine LUT nutzte Kohn am Set nicht. Es wäre vermutlich für jede Zeitebene eine eigene LUT erforderlich gewesen. Für deren Erstellung jedoch war im Vorfeld keine Zeit.

ARRI DNA PRIMES
Der Kurzfilm ist eine Tour de Force durch ein ereignisreiches Leben mit vielen Zeitsprüngen. Vor allem die Übergänge dieser Zeiten mussten präzise umgesetzt werden. “Das Drehbuch gibt schon recht deutlich vor, wie wir in die nächste Szene reingehen”, sagte Joshua Krull. So steht am Ende des ersten Dates der Hauptfigur der Kuss. Von diesem soll direkt in den Hochzeitskuss übergegangen werden. “Da haben wir uns die Freiheit genommen, das manchmal zu ändern.” Anstatt einen klassischen Matchcut zu machen, schwenkte Kohn hier in den Himmel über dem Pärchen, einem VFX-Schmetterling folgend, dieser flog dann in herabregnendes Konfetti, dem der Schwenk wieder hinab auf den Hochzeitskuss folgt.
Die Übergänge mussten teilweise mit exakt gleichen Schwenks umgesetzt werden. Dafür wählte Kohn den ARRIHEAD. Der Kurbelkopf ermöglichte ihm ein präzises Wiederholen von Bewegungen. Außerdem waren aufgrund der Größe der ALEXA 65 und des Umfangs ihrer Peripherie oft auf dem Dolly oder eben auf dem Stativ. Als Objektive wählte der DoP die ARRI DNA-Primes. Der Satz bestand aus 28 mm, 35, mm, 50 mm, 65 mm, 80 mm sowie 120 mm. “Da ist ja jedes Objektiv schon unterschiedlich und hat seine eigenen, charakteristischen Eigenschaften. Das war uns wichtig, weil die ALEXA 65 ein sehr klares, scharfes Bild erzeugt”, sagt Alexander Kohn. Allerdings war auch eine eingehende Auseinandersetzung nötig. So deckte die von Kohn am häufigsten 50-mm-Brennweite nicht den gesamten Bildkreis des Sensors ab. Dennoch fiel die bewusste Entscheidung für das Objektiv. “Einerseits hieß das, wir mussten in der Postproduktion 10 bis 20 Prozent hineinzoomen – und auch so Kadrieren” sagt der DoP. “Anderseits nutzten wir die Vignettierung auch als Metapher. Denn auch die Erinnerung franst ja an den Rändern aus.” Vom Bokeh der DNAs jedoch schwärmt der DoP noch immer, gerade bei direktem Lichteinfall in das Objektiv.

NEUES GEFÜHL MIT VOLLFORMAT
Soviel wie möglich versuchte das Team dabei in-camera zu lösen. Doch die Schmetterlinge waren nur per VFX zu lösen. “Für einen so kurzen Film ist der VFX-Anteil sehr hoch”, sagt Joshua Krull. “Wir haben von etwa 120 Shots im Film rund 30 VFX-Shots.” Dabei ging es nicht nur um die fliegenden Insekten, sondern auch um das Entfernen von Strommasten in 1970er-Jahre-Szenen oder dem Herausretuschieren einer Baumkrone beim Schwenk in den Himmel. Dafür war VFX-Supervisor Yannick Heß immer am Set und konnte schnell Feedback geben, ob eine Idee von Kohn und Krull funktionierte oder nicht – und was im zweiten Falle zu tun war, damit erster Fall eintrat. Für die VFX-Anteile war dann das Oversampling der ALEXA 65 “zugleich Luxus, als auch Arbeitsvoraussetzung”, wie Produzent Victor Schwarz sagt. Da das Team auch die Endfertigung in 4K oder UHD aber auf jeden Fall HDR anstrebte, hatten sie hier den größtmöglichen Spielraum.

Alexander Kohn erlebte die Arbeit mit dem Vollformatsensor der ALEXA 65 als sehr befreiend. “Auf rein bildgestalterischer Ebene ist es spannend. Es eröffnet mir ein neues Gefühl, Bilder zu finden.” Er nutzte mit dem 50er-Objektiv ein im Vollformat deutlich weitwinkliger wirkendes Objektiv, als er für S35 für gewöhnlich einsetzen würde. “Es war extrem weit und hat viel vom Set gezeigt, ermöglichte aber gleichzeitig über Blende und Sensor eine Tiefenseparation. So habe ich mich auch getraut, näher an die Schauspieler ranzugehen.”

Als wäre das alles nicht schon herausfordernd genug, war DoP Alexander Kohn in der Findung des visuellen Konzepts noch auf eine weitere Idee gekommen. In die einzelnen Erzählebenen wollte er noch emotionale Tupfer bringen, sowohl erzählerisch, als auch auf visueller Ebene. Dafür wählte er 16-mm-Filmmaterial und eine ARRIFLEX 16 SR3. “Hier wollten wir nochmal tiefer in die Szenen gehen und intime Momente einfließen lassen”, erzählt Alexander Kohn. Michael Stadler, der mit Regisseur Krull die Montage verantwortete, erklärt die Herausforderungen: “Immer, wenn die Schmetterlinge auftauchten, haben wir eine kurze 16-mm-Sequenz – wie eine Art Erinnerung – einfließen lassen. Das wirkt sehr intim, weg von der Perfektion der ALEXA 65.” Doch dafür musste das Team nachhelfen. Schon im Schnitt legte Stadler ein Pre-Grade auf das Material. “Der Formatsprung war gar nicht so offensichtlich, wie wir das erwartet hatten”, sagt DoP Kohn. “Die Qualität, die das 16-mm-Material hat, ist wirklich technisch auf einem hohen Niveau!“”

WETTER FUNKT DAZWISCHEN
Leider lief nicht alles rund. So musste ein Drehtag aufgrund schlechten Wetters abgebrochen werden. Auf Regen war das Team eingestellt, aber nicht auf den Wolkenbruch, der innerhalb einer halben Stunde ihre schöne Sommerszene in einen Schlammfluss verwandelte. Zwei Wochen später drehten die Macher nach und machten aus der Not eine Tugend. Die Szene wurde auf Regen umgeschrieben, inklusive Besorgens von 1970er-Jahre-Regenkleidung für die entsprechende Zeitebene.
Im Sommer stand der Picture Lock, der den Film bei rund 10 Minuten sieht. Der von Komponist Gregor Mausolf komponierte Score wurde über eine Filmuni-Kooperation vom Filmorchester Babelsberg eingespielt, die Postproduktion in Dolby Vision läuft bei der Rotor Film im Studio Babelsberg auf Hochtouren. Die Besonderheit des Dolby-Vision-Workflows ist, dass das Grading nicht erstmal in SDR, sondern direkt im großen Farbraum beginnt. Alle anderen Versionen bis zum Rec.709 werden daraus adaptiv mittels dynamischer Metadaten sowie manueller Nachbesserung erzeugt. DoP Alexander Kohn lieferte die Vorgaben für ein SD-Grading, welches von Andreas Olenberg realisiert wurde. Mit dieser Orientierung erarbeitete Coloristin Petra Lisson dann den finalen Look. Größte Herausforderung dabei waren die eingesetzten Weißblenden. Diese werden bei vollem Weiß plötzlich blendend hell, heruntergeschraubt wirkten sie grau. Die Lösung war am Ende ein Pastellton.

Wenn alles passt, soll der Kurzfilm “Psykhe” zum nächsten Max-Ophüls-Festival eingereicht werden. Von da aus wird er auf Festivaltour gehen. Gespannt können wir dann darauf sein, wann das Team sich endlich an den Langfilm traut. Reif wären sie dafür. [10662]


IM NETZ
Imagis.TV im Internet

Projektmappe auf der Homepage der Filmuni


 

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