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Look der 1960er Jahre

Immer noch Retro

Der amerikanische Kultfilmregisseur Quentin Tarantino schwört darauf, seine Werke auf chemischem Film zu drehen. Dem ist er auch bei seinem Kino-Epos “Once Upon a Time … in Hollywood” treu geblieben.

“Once Upon a Time … in Hollywood” ist nach “Kill Bill: Volume 1 und Volume 2”, “Inglourious Basterds”, “Django Unchained” und “The Hateful Eight” bereits die sechste Zusammenarbeit von Quentin Tarantino und DoP Robert Richardson. Der Film spielt Ende der 1960er Jahre in der Ära der Hippie- und Flower-Power-Bewegung. Daher wählten Tarantino und Richardson einen Retro-Look mit poppigen Farben. Allerdings kannte der mit drei Oscars hochdekorierte Kameramann nur Teile der Story, denn als Tarantino ihm das Drehbuch vorlegte, durfte er nicht den letzten Akt lesen. Im Zentrum der Geschichte stehen Leonardo Di Caprio als ein mittelmäßig erfolgreicher Fernsehschauspieler und Brad Pitt als sein Stuntman, die für eine Western-Serie engagiert werden. Schnelle Schlitten und populäre Pool-Parties prägen den Zeitgeist. In unmittelbarer Nachbarschaft am Cielo Drive leben Roman Polanski und Sharon Tate, die mit ihrem Cabriolet durch die kurvigen Straßen zu ihrem neuen Haus brausen, das sie von einem Musikproduzenten übernommen haben. Ähnlich wie in “Inglourious Basterds” nimmt sich Tarantino auch in seinem neuen Werk die Freiheit, ein Stück Geschichte neu zu erzählen.

Die Filmaufnahmen zu “Once Upon a Time … in Hollywood” erfolgten an 90 Drehtagen zwischen Juni und November 2018 an diversen Schauplätzen in Los Angeles wie dem Cielo Drive, Hollywood Boulevard, Sunset Boulevard, in Burbank sowie im Studio in Hollywood. Richardson, der das zweieinhalbstündige Kino-Epos im Breitwandformat auf 35-mm-Filmmaterial drehte, setzte dafür alte Anamorphoten aus der C- and E-Serie von Panavision ein, die Dan Sasaki, Ingenieur für optische Systeme bei Panavision, für die Nahaufnahmen angepasst hat. Als Aufnahmematerial für die meisten Szenen verwendete Richardson Kodak Vision3 500T Color Negative Film 5219 und Kodak Vision3 200T Color Negative Film 5213. Einer der Gründe, warum Richardson bevorzugt auf chemischem Film dreht, ist die Art, wie die Haut auf Film abgebildet wird. “Diese Weichheit lässt sich nur schwer mit digitalen Kameras herstellen”, betont Richardson. Bei der Produktion von “Once Upon a Time … in Hollywood” gab es allerdings keine Diskussion über das Für und Wider von Film und digitalen Kameras, da für Tarantino von vornherein feststand, analog auf Film zu drehen. Ein erklärtes Ziel des Regisseurs war, mit reichen und gesättigten Farben optisch an die Technicolor- Ästhetik anzuknüpfen. Als Reminiszenz an diese Ära taucht im Film sogar der Technicolor-Schriftzug auf.

Bei den Film-im Film-Aufnahmen der Western-Serie, in der Leonardo Di Caprio und Brad Pitt ebenfalls die Hauptrollen spielen, setzte Richardson auf 35-mm-Schwarz-Weiß- und Farbmaterial, das überwiegend mit sphärischen Zooms im klassischen Fernsehformat mit einem Seitenverhältnis von 1:33 gedreht wurde. Zwei Sequenzen, die im Haus von Sharon Tate und Roman Polanski spielen, wurden auf Kodak Ektachrome in 16 Millimeter und Super 8 gefilmt. Die Sichtung der Muster am Set erfolgten mithilfe von klassischen Dailies, die bei Fotokem in Los Angeles entwickelt und auf Negativfilm gezogen wurden. Für die Begutachtung des Materials richtete Tarantino in seinem Büro eine temporäre Vorführung ein, die allen Team-Mitgliedern offenstand. Einige Sichtungen erfolgten aus Zeitgründen direkt bei Fotokem, wenn an Motiven gedreht wurde, die sich dort in der Nähe befanden. In der Postproduktion wurde das Filmmaterial abgetastet, am Rechner gesichtet und die finale Fassung analog auf Film am Schneidetisch editiert. Die Kopie von “Once Upon a Time … in Hollywood”, die bei der Weltpremiere in Cannes gezeigt wurde, war keine DCP, sondern eine herkömmliche Filmkopie.

ANALOGER FILM AUF DEM VORMARSCH

“Filmmaterial ist wieder auf dem Vormarsch”, so Steve Bellamy, President Motion Picture & Entertainment, Kodak. Das Unternehmen, das im Januar 2012 Insolvenz anmelden musste, hat inzwischen wieder Kopierwerke in den Pinewood Studios in London sowie in New York, Atlanta und Bombay eröffnet. “In unserer neuen Dependance in New York haben wir bereits mehr als sechs Milliarden Meter Film entwickelt, weil dort viele Spielfilme, Werbespots und Fernsehserien gedreht werden.” In den letzten vier Jahren sei die Nachfrage nach Filmmaterial erheblich angestiegen. 65-mm-Film sei wieder gefragt. Die Nachfrage nach 35-mm-Material sei um 155 Prozent gewachsen, die nach 16-mm-Film um 206 Prozent und 8 mm sogar um 407 Prozent. Bellamy glaubt, die anfängliche Aufregung und Begeisterung für digitale Technologien habe sich gelegt. “Das ist mit der Musikbranche vergleichbar, in der es einen Trend zurück zum Vinyl gibt. Viele Bands möchten ihre Platten inzwischen wieder gerne auf Zwei-Zoll-Bändern aufnehmen.”

Für junge Filmemacher, die mit den Formaten 2K und 4K aufgewachsen sind, stelle laut Bellamy 8K keinen besonderen Reiz dar. “Beim Kurzfilm Festival in Halifax sind im vergangenen Jahr zwei Kurzfilme eingereicht worden, die auf Film gedreht worden sind. In diesem Jahr waren es 155 Beiträge.” Auch bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes wurden in diesem Jahr 16 Filme im offiziellen Programm präsentiert, die auf analogem Film gedreht worden sind. Neben Quentin Tarantinos “Once Upon a Time … in Hollywood” gehörten dazu unter anderem “Matthias and Maxime” von Xavier Dolan, “Sorry We Missed You” von Ken Loach und “Room 212” von Christophe Honoré. “Wenn Regisseure auf Film drehen, benötigen sie weniger Zeit für die Postproduktion, weil sie wesentlich weniger Material gedreht haben”, resümiert Bellamy. “Wir planen, noch in diesem Jahr ein weiteres Kopierwerk zu eröffnen.”

Quentin Tarantino hat “Once Upon a Time … in Hollywood” auf 70 mm aufgeblasen und will ihn in den USA auch in diesem Format vorführen. In Los Angeles ist dies zumindest in seinem eigenen Kino möglich. Das hat nämlich einen 70-mm-Projektor. [8926]

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