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Manfrotto Gimbal MVG460 im Test

Frisch austariert – Manfrotto-Gimbal MVG460

Manfrotto hat gleich zwei neue Gimbal-Modelle mit Zubehör vorgestellt. Wir haben für unser Heft 12.2020  ausprobiert, ob der Hersteller neben den bewährten Stativen und Licht- und Kamerazubehör nun auch Gimbals bauen kann.

Manfrotto Gimbal MVG460 mit DSLM-Kamera

Als Manfrotto vor kurzer Zeit seine neuen Gimbals vorgestellt hat, haben sich wahrscheinlich etliche Filmer gefragt, warum der italienische Traditionshersteller, bekannt für seine Licht- und Kamerastative, plötzlich auch motorisierte Stabilisierungssysteme herstellen kann – und ob sie auch ausgereifte und für den Drehalltag geeignete Geräte sind. Der Hersteller verspricht jedenfalls, dass die beiden Gimbals MVG220 und MVG460 auch professionellen Ansprüchen gerecht werden. Wie der Name schon vermuten lässt, sind die beiden Modelle für unterschiedliche Gewichts-Konfigurationen vorgesehen. Während der MVG220 DSLM-Kameras bis 2,2 Kilogramm tragen kann, schafft der MVG460 ganze 4,6 Kilogramm und damit sogar kleine Cine-Kameras. Die beiden Modelle sind jeweils in einer Standard- oder Komplettversion verfügbar, bei der zusätzlich ein Fokusmotor, eine Verlängerungseinheit und beim MVG460 eine Hand-Schärfezieheinheit mit integriertem Gyrosensor beigelegt sind. Für flexiblere Aufnahmen bietet Manfrotto noch den sogenannten Gimboom an. Das ist ein leichter Monopod, der speziell für Einhand-Gimbals entwickelt wurde und noch flexiblere Aufnahmen ermöglichen soll.

Manfrotto Gimbal MVG460 in der Konfiguration für bodennahen Dreh
Der Gimbal taugt auch für bodennahen Einsatz.

Lieferumfang

Für unseren Test stand uns der etwa 580 Euro teure MVG460 in der Standard-Ausführung zur Verfügung. Der Gimbal wird in einem stabilen Hart-Schaumstoff-Koffer mit reichlich Zubehör geliefert. Unter anderem finden sich im Lieferumfang vier Akkus mit Ladestation, diverse Verbindungskabel, ein kleines Stativ, das auch als Griff genutzt werden kann, Kameraplatten, Schrauben und eine Halterung, um den Gimbal für Low-Angle-Aufnahmen zu verwenden.

Der Gimbal verfügt über ein fest verbautes Display sowie über ein ebenfalls festes Fokusrad. Manfrotto verspricht, man könne über das Display neben den reinen Gimbal-Einstellungen auch Kamera-Einstellungen vornehmen, ohne die Kamera anfassen zu müssen.

Besonders bei der Kameraplatte scheint den Entwicklern etwas Pfiffiges eingefallen zu sein: Als Grundplatte dient eine Manfrotto-kompatible Platte. Auf dieser sitzt eine abnehmbare Arca-Swiss-Platte, die an die Kamera montiert wird. Diese kann ohne eine Verschiebung der Grundplatte gelöst werden. Damit kann die Kamera abgenommen werden, ohne sie beim erneuten Aufsetzen auf den Gimbal erneut austarieren zu müssen. Auch vorteilhaft zeigt sich die Möglichkeit, jede Achse einzeln zu verriegeln, um den Gimbal zu balancieren oder zu transportieren. Die Verarbeitung wirkt vielversprechend und ist vergleichbar mit der einiger größerer Gimbal-Hersteller.

Vor der ersten Verwendung sollten zunächst die Akkus geladen werden. Manfrotto verwendet hier anstatt proprietärer Akkus einfache Lithium-Akkus, die im Viererpack ohne Probleme unter 20 Euro zu bekommen sind. Mit den mitgelieferten Akkus kommt man laut Hersteller auf eine Betriebszeit von 12 Stunden.

Bedienung

Die Steuerung über das eingebaute Display ist einfach und trotzdem umfangreich. Alle Grundeinstellungen des Gimbals lassen sich hier tätigen. Auch die Kamerasteuerung erfolgt von dort. Einmal eingeschaltet, kalibriert man die Motorleistung für das Gewicht seiner Kamera. Der Gimbal unterstützt verschiedene Modi, bei denen auf Wunsch die eigenen Bewegungen auf bis zu allen drei Achsen weich übertragen werden. Hierbei zeigt sich sowohl bei leichten als auch bei schwereren Setups, dass der Gimbal gut und weich reagiert, ohne dabei langsam und träge für den Operator zu wirken. Wer die Kameraposition manuell anpassen möchte hat am Daumen einen Joystick, mit dem Drehung und Neigung verändert werden können.

Touch Panel am MVG460
Das integrierte Touch-Panel

Kamera- und Appsteuerung

Für Mobilgeräte steht eine einfache App zur Konfiguration des Gimbals zur Verfügung. Sie verbindet sich automatisch mit dem Gimbal, so dass sich danach die Motor- und Steuerungskonfiguration ändern lässt. Außerdem ist eine Fernsteuerung über einen digitalen Joystick integriert. Auch eine Zeitraffer-Funktion wurde nicht ausgelassen. Im Vergleich zu Apps von Herstellern wie DJI fällt sie jedoch etwas schlank aus. Firmware-Updates können direkt per App gestartet werden, was aber in unserem Fall nicht funktioniert hat. Ebenfalls gestaltete sich bei unserem Test die Integration der Kamerafernsteuerung als kompliziert, wenn nicht gar funktionsuntüchtig.

Wir testeten den Gimbal mit der Panasonic Lumix GH5, der Canon EOS R und der Blackmagic Design Pocket Cinema Camera 6K. Keine dieser Kameras konnten wir über den Gimbal einstellen. Teilweise sind laut App unterschiedliche Firmware-Versionen für unterschiedliche Kameramodelle notwendig. Wer also schnell bei einem Dreh von einer Panasonic auf eine Sony wechseln möchte, der muss erst einmal eine neue Firmware aufspielen! Das kann man zwar im Prinzip über die App durchführen, allerdings hat es auch hier bei uns nie funktioniert, eine andere Firmware zu installieren.

Rebranded?

Wer allerdings im App-Store genauer hinschaut, der sieht, dass die App der Manfrotto-Gimbals vom chinesischen Hersteller Feiyu-Tech herausgegeben wird. Da liegt die Vermutung nahe, dass die Manfrotto-Gimbals lediglich umgebrandete Gimbals des chinesischen Herstellers sind. Testweise haben wir also die Feiyu ON-App verwendet, die sich zügig mit dem Gimbal verbunden hat. Dort sieht die Bedienoberfläche ähnlich aus wie bei der Manfrotto-Version. Der Gimbal lässt sich fernsteuern und hierüber funktionieren nun auch die Firmware-Updates – auch für unterschiedliche Kameramo delle. Das ist also ein kleiner, aber wirksamer Workaround für Probleme bei der Manfrotto-App. In keinem Fall ist es uns jedoch gelungen, Belichtungsparameter fernzusteuern, einerlei, welche Firmware installiert und welche Kamera über ein mitgeliefertes Kabel verbunden war. Somit zeichnet sich die Kamerasteuerung über die App-Steuerung als Schwachpunkt der neuen Gimbals ab.

Arca-Swiss-Platte auf Manfrotto-Platte
Gut mitgedacht: Arca-Swiss-Platte auf Manfrotto-Platte

Die Manfrotto-Gimbals sind grundsätzlich Einhand-Gmbals, die ähnlich wie zum Beispiel ein Ronin S von DJI funktionieren. Das mitgelieferte und zusammenklappbare Stativ kann an einen vielseitigen Arm befestigt werden, so dass sich der Gimbal auch im Low-Modus verwenden lässt. Dabei lassen sich auch Drehungen um die Roll-Achse durchführen oder die Kamera in den Hochkantmodus versetzen. Für Vlogs gibt es ebenfalls einen Selfie-Modus, bei dem sich die Kamera zum Operator dreht. Die Empfindlichkeit des Gimbals lässt sich in drei Stufen oder individuell anpassen, damit entweder maximale Folge-Geschwindigkeit oder maximale Weichheit der Bewegungen erzielt wird.

Fazit

Manfrotto legt eine durchaus gelungene Premiere auf dem Gimbal-Markt hin, wenngleich wahrscheinlich die schon existierenden Gimbals von Feiyu-Tech für Manfrotto umgebrandet wurden. Die 460er-Version ist ein echtes Kraftpaket, mit dem selbst kompakte Cine-Setups herumgewirbelt werden können. Die Bewegungen werden schön ausgeglichen und eigene Impulse fasst der Stabilisator wie gewünscht auf. Die App ist gut, einige Teile müssen noch verbessert, andere Probleme grundsätzlich behoben werden.

Ein Punkt, der im Test nicht ordentlich funktionierte, ist die Verbindung und Fernsteuerung der Kameras. Die Lösung über separate Firmware für unterschiedliche Kameramodelle ist einfach zu umständlich. Bei einem kommerziellen Dreh, bei dem es auch gerne mal schnell gehen darf, würde so etwas zu viel Zeit kosten. Hier muss Manfrotto sicherlich nachbessern. Wer jedoch auf kleinere Spielereien und eine gut funktionierende Kamerasteuerung einstweilen noch verzichten kann, für den liefert Manfrotto ein durchaus preiswertes und zuverlässiges Arbeitspferd für diverse Einsatzzwecke. [13827]

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