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Die Macher im Interview

Bildrechte, Urheberrecht und Instagram – Die Macher von “Der illegale Film”

Wie geht man mit geistigem Eigentum um? Diese Frage wurde in den vergangenen Monaten auch medial heiß diskutiert. Der Dokumentarfilm “Der illegale Film” beschäftigt sich mit Bildrechten und der Wirkung von Bildern auf unsere Kommunikation. Die beiden Köpfe hinter dem Projekt gaben in unser Ausgabe 5.2019 einen Einblick in die Fragestellungen und Herausforderungen des Films.

Eine blonde Frau hält eine Fotokamera vor ihr Gesicht.

Martin Baer und Claus Wischmann letzter Film “Kinshasa Symphony” von 2010 ist mehrfach ausgezeichnet worden. Ihr neustes Projekt “Der illegale Film” ist zugleich auch ein altes. Fünf Jahre lang haben die beiden daran gearbeitet. Sie haben sich mit den seit Monaten wieder viel diskutierten Themen geistiges Eigentum, Urheberrecht und Bilder im Instagram-Zeitalter beschäftigt. Vor allem vor dem Hintergrund des beschlossenen Europäischen Urheberrechts um Artikel 17 (ehemals Artikel 13) kam ihr Film zum rechten Zeitpunkt. Im Mai dieses Jahres lief er in den deutschen Kinos an.

Was war die größte Herausforderung des Filmes?
Claus Wischmann: Da gibt es ganz viele Herausforderungen.
Martin Baer: Unsere Ausgangsfrage klingt sehr einfach: „Wem gehört eigentlich ein Bild?“. Damit zusammen hängen Fragen wie: Was ist geistiges Eigentum, also Urheberrechtsfragen. Diese Fragen führen in so viele Verästelungen, die der Rechtskunde, der Kunstgeschichte, der Philosophie, der Ethik, der Religion. So war die erste Herausforderung, einzuschränken, unseren Film auf die zentralen Fragen zu konzentrieren. Das ist ein Thema, das nicht nur uns Filmemacher, Fotografen oder Kameraleute bei Fragen des Urheberrechts betrifft, sondern eigentlich jeden, der heutzutage ein Bild von sich macht, oder der ein Foto auf Facebook postet, oder der überlegt, Aufnahmen zu machen. Vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte – sind wir alle Bildermacher und deswegen sind wir alle betroffen.
Claus Wischmann: Herausforderung war, überhaupt das Thema zu finden, es wirklich auf den Punkt zu bringen. Und in welchem Format erzählt man das eigentlich? Ein Film über Bilder, was sind die Bestandteile? Der Film besteht überwiegend aus „found footage“, im Internet gefundenen Bildern. Dann haben wir die Geschichte mit Martins Tochter Mascha. Die führt wie ein roter Faden durch den Film. Ihre Rolle stand am Anfang gar nicht fest, das hat sich so entwickelt, weil Mascha praktisch auch das Medium „Fotografie“ in dieser Zeit entdeckt hat. Daneben gibt es die Ebene mit Zitaten von Expertinnen und Experten zum Thema Fotografie.

Wie viele Rechteanfragen habt ihr wegen des “found footage” gestellt?
Claus Wischmann: Wir haben natürlich sehr viel Zeit damit verbracht, die Rechte anzufragen. Bei großen Teilen des Materials aus dem Internet sehen wir eigenständige, künstlerische Leistungen, da wollen und können wir uns nicht einfach so bedienen. Dann gibt es einen großen Bereich, zum Beispiel Werbeclips, bei dem wir uns auf das Zitatrecht berufen.
Martin Baer: Wir haben hunderte von Anfragen gestellt und haben auch eine Beobachtung gemacht, die erfreulich ist, dass die Urheber ohne großes Zögern gesagt haben: gerne, interessant, könnt ihr gerne machen! Nennt nur den Namen. In ganz vielen Fällen waren wir überrascht, wie entgegenkommend und unterstützend die Urheber waren. Alle Quellen sind im Abspann des Filmes genannt. Deswegen ist der auch viereinhalb Minuten lang, weil eben jede der etwa 400 verschiedenen Quellen genannt wird.

Wie seht ihr die Veränderungen durch Bilder in der sozialen Kommunikation, Bildtechnologien, Smartphone, dass jedermann Bilder machen kann. Ändert sich die soziale Kommunikation durch das Bild?
Martin Baer:
Eines unserer Kapitel heißt: „Sind Bilder die neue Sprache?“ Wir haben Interviews geführt, wie zum Beispiel mit Norbert Bolz, der genau das bestätigt: Es ist die neue Art der Kommunikation, der Iconic Turn, die Hinwendung zur Kommunikation über Bilder. Vilém Flusser hat das schon vor vielen Jahren vorhergesagt, Instagram und andere haben das zum Geschäftsprinzip erhoben. Das ist einfach jetzt die Sprache und insofern kann man die Frage, glaube ich, auf verschiedene Art mit Ja beantworten. Man könnte mal vorsichtig sagen, dass wir alle selbst- verständlich mit Bildern umgehen und dass wir selbstverständlich annehmen, dass wir wissen, was ein Bild ist. Wir wissen, was eine Fotografie ist. Wir wissen, warum wir Bilder machen. Wir bezweifeln das aber in unserem Film. Wir sind gar nicht so sicher, was diese Bilder bedeuten und wo die überhaupt herkommen. Zum Beispiel aus den Smartphones, die nämlich die Produktion der Bilder zunehmend übernehmen. Wir beeinflussen das Bilder-Machen immer weniger. Die Maschinen machen die Bilder. Die machen aber nicht einfach das richtige Bild von der Welt, sondern die machen das, was ihnen von uns oder den Entwicklern vorgegeben worden ist. Das ist nicht die Welt, die sich einfach dann abbildet, sondern eine Maschine schafft etwas, das uns suggeriert: Du guckst auf eine Repräsentation der Welt oder der Wirklichkeit. Und das ist interessant, dass wir diesen selbstverständlichen Gedanken haben. Das ist aber gar nicht die Wirklichkeit, sondern ein Bild. Zugleich werden die Repräsentationen dieser Wirklichkeit immer perfekter. Wir erleben ja gerade den Übergang in die dreidimensionale Darstellung der Wirklichkeit. Da stehen wir noch davor. Aber was passiert eigentlich, wenn wir überhaupt nicht mehr mit menschlichen Sinnesorganen unterscheiden können, ob wir die Wirklichkeit, also die Realität erblicken oder nur eine dreidimensionale Abbildung? Wenn wir das nicht mehr unterscheiden können, dann wird das, glaube ich, dramatische Auswirkungen auf unsere Beziehungen, auf unseren Umgang, auf unser Verhältnis zu uns selber und zur Welt haben.

Was war denn der Auslöser zu diesem Film-Thema?
Claus Wischmann: Tatsächlich standen wir vor fünf Jahren mit Christlieb Klages, unserem Anwalt, zusammen und Martin, war es, der sagte: also ich möchte ja gerne mal einen Film über das Urheberrecht machen. Ich liebe solche sperrigen Themen, über die man eigentlich keinen Film machen kann. Und dann kam gleich die Idee, ihn „Der illegale Film“ zu nennen.
Martin Baer: Das Thema bietet natürlich einige Schmankerl, gerade für Bildermacher. Die interessieren sich natürlich auch für die praktischen Fragen des Urheberrechts. Wen darf ich denn überhaupt filmen? Was ist denn mit den neuen Vorschriften? Wie ist es, wenn ich in meiner Filmaufnahme im Hintergrund irgendeine Musik laufen habe. Und im Kollegenkreis hört man ja die erstaunlichsten Ansichten. Wie die falsche Behauptung, bis drei Sekunden darf man nehmen.
Claus Wischmann: (lacht) Wahlweise bis drei Minuten …
Martin Baer: (lacht) … ein urbaner Mythos, also totaler Quatsch.

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