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„Dead Man Working“ erhält Grimme-Preis in Kategorie Fiktion

Nicht jede Bewegung planen – Ruhige Bilder (1/2)

Der Film “Dead Man Working” von Regisseur Marc Bauder, wird mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Am 31. März 2017 werden die Preise in der Kategorie Fiktion an Marc Bauder (Regie), Börres Weiffenbach (Bildgestaltung), Dörte Franke und Khyana el Bitar (Buch) sowie Wolfram Koch und Benjamin Lillie (Hauptdarsteller) verliehen. Der Film wurde im November 2016 zum ersten Mal von der ARD ausgestrahlt. In unserer Ausgabe 03/2016 berichteten wir bereits über die Dreharbeiten zu “Dead Man Working”.

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Mit der Dokumentation „Master of the Universe“ tauchten DoP Börres Weiffenbach und Regisseur Marc Bauder in die Abgründe des Finanzsystems ein. Jetzt erzählt ihr TV-Film „Dead Man Working“ das Thema Bankenkrise mit fiktionalen Mitteln weiter. Weiffenbach erzählt, wie er die ruhigen Bilder komponierte.

Man kennt das Bild aus TV-Magazinen. Investigative Journalisten stehen vor verschlossenen Türen oder Werksgeländen. Manchmal halten sie das Mikrofon mit dem Senderlogo vor eine Gegensprechanlage, aus der eine knappe Absage kräht. Nicht selten ist das ein Indiz dafür, dass sie mit ihrer Geschichte ins Schwarze getroffen haben. Ebenso häufig stellt es aber auch den vorläufigen Endpunkt der Suche dar. Wie geht es weiter? Ähnlich erging es auch Kameramann Börres Weiffenbach und seinem Regisseur Marc Bauder. Und das zweimal. Bereits 2012/2013 drehten sie den Dokumentarfilm „Master of the Universe“ über den ehemaligen Banker Rainer Voss und dessen kritische Sicht auf seine früheren Arbeitgeber.

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Die ARRI Alexa Mini mit smallHD-Monitor im austarierten Ronin. (Bild: Marcel Renz, Börres Weiffenbach)

Im November 2015 taten sich Regisseur und Kameramann erneut zusammen und erzählten diesmal eine fiktionale Geschichte aus dem Bankensystem, Arbeitstitel „Dead Man Working“. Beide Male begegneten die Filmemacher massiven Widerständen bei der Suche nach Motiven und Gesprächspartnern. Die großen Finanzbranche lässt sich einfach ungern auf die Finger schauen.

Eigene Bilder entstehen lassen

Der Erfolg von „Master of the Universe“ jedoch gab Bauder und Weiffenbach recht. Der Dokumentarfilm gewann viele Preise, unter anderem den Hauptpreis der Kritiker in Locarno 2013, den Preis der deutschen Filmkritik als Bester Dokumentarfilm und in der gleichen Kategorie den Europäischen Filmpreis 2014. Das war auch dem visuellen Konzept von Börres Weiffenbach zu verdanken. Er inszenierte den Banker Voss auf der leeren Büroetage eines ehemaligen Bankhauses in Frankfurt. „Marc hat mir am Anfang ein Tonbandprotokoll vorgespielt“, erinnert sich Weiffenbach. „Wir haben gemerkt, dass Voss sehr intensiv und bildlich erzählen kann.“ So kamen die beiden überein, dass sie nur diesen Protagonisten brauchen und einen Ort, an dem man ihm gut zuhören könne. Weiffenbach wählte Cinemascope als Format: „So hatte ich neben der Person immer viel Platz im Bild, den der Zuschauer nutzen kann, um eigene Bilder entstehen zu lassen.“ Mit Marc Bauder hatte er zuvor schon mehrere dokumentarische Werke gemacht. Das Drehbuch von „Dead Man Working“ knüpft inhaltlich an die Grundaussage von Rainer Voss an, dass es immer die Menschen sind, die hinter den scheinbar anonymen Entscheidungen der „Märkte“ stecken. Der hochrangige Banker Jochen Walther stürzt in der Nacht nach der Einfädelung eines Riesendeals vom Hochhaus. War es Suizid oder Mord? Während der Vorstand abwiegelt, erhebt Walthers Witwe schwere Vorwürfe. Und mittendrin Walthers ehemaliger Assistent auf der Suche nach der Wahrheit. Der Fernsehfilm entstand für den Hessischen Rundfunk unter Redaktion von Jörg Himstedt.

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Der Runner muss genau auf die körperlichen Maße des Operators abgestimmt sein. (Bild: Marcel Renz, Börres Weiffenbach)

Weiffenbach wollte weder eine klassische Spielfilmauflösung für den Film, noch einen dokumentarischen Look. „Ich suche immer nach einer neuen Herausforderung und gehe konzeptionell an die Kameraarbeit heran“, erklärt der DoP. „Ich wollte gerne nah dran sein an der Geschichte, aber dennoch ruhige Bilder haben – keine zu wackelige Handkamera.“ Das war herausfordernd, da er auf jeden Fall wieder die Breite des Cinemascope-Formats nutzen wollte. An sich schon ungewöhnlich für einen Fernsehfilm. Also machte sich der Kameramann auf die Suche nach möglichen Stabilisierungssystemen. Beim befreundeten Technikverleih HandUndFuss Film aus Berlin setzte sich Weiffenbach intensiv mit dem DJI Ronin auseinander. Der Gimbal war schnell seine Wahl zur Stabilisation. „Ich habe die Möglichkeit, ruhige Bilder zu bekommen, in denen trotzdem noch eine leichte Bewegung ist“, so Weiffenbach. Gleichzeitig war ihm klar, dass er eine weitere Lösung zur Gewichtsentlastung brauchte. Schon der Ronin wiegt 4,2 Kilogramm, das Kameragewicht würde noch oben draufkommen. Damit den ganzen Tag herumzulaufen könnte auf fünf Wochen Drehzeit problematisch werden.

Individuelle physische Bedingungen

Also probierte er im Vorfeld des Drehs unter Betreuung des erfahrenen Steadicam-Operators István Imreh mehrere Lösungen aus. Als erstes war der Ronin mit einer Steadicam-Ausrüstung gepaart. „Was doch recht schwer war, ohne längere Übung“, erklärt Weiffenbach. Wer bereits die Arbeit mit der Steadicam beherrscht, kann sicher auch in der Kombination mit dem Ronin gut arbeiten. Zur schnellen Anpassung taugte es für ihn nicht. Die nächste Technologie war das Easyrig mit Flowcine Serene und der Puppeteer-Halterung. „Um auf Augenhöhe zu kommen, musste ich die Kamera so hochhalten, dass die Kamera schnell an die Puppeteer 1-Achsen-Stabilisierung angestoßen ist, zumindest bei meiner Körpergröße.

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Bei einigen Szenen gab es keinen Grund für den Einsatz des Ronin, wie hier bei einer klassischen Dollyfahrt während der Beerdigungsszene. (Bild: Marcel Renz, Börres Weiffenbach)

Wer sehr groß ist, kommt da besser klar.“ Das dritte System war der Runner von ActionProducts, einem Hersteller aus der Schweiz. Der Runner ist ein Exoskelett, dessen Stabilisierung ähnlich den beiden anderen Lösungen über eine Konstruktion läuft, die Rücken und Hüfte stützt. Hier wird die Kraft jedoch von zwei extra Armen aufgenommen, einem zweiten Skelett des Oberkörpers gleich. Diese Lösung funktionierte für den Kameramann am besten, da er diese lange halten konnte und sie sich seinen physischen Bedingungen am besten anpassen ließ. Dennoch war die körperliche Belastung laut Weiffenbach nicht zu unterschätzen: „Man muss das trainieren. Ich habe extra nochmal Yogastunden genommen!“

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Im Einsatz musste Weiffenbach darauf achten, nicht zu untersichtig zu werden. (Bild: Marcel Renz, Börres Weiffenbach)

Den „Master of the Universe“ hatte Börres Weiffenbach auf der RED Epic gedreht, mit Ultra Primes. Die Wieder – holung dieser Konstellation stand aus Gewichtsgründen schon außer Frage. Daher fiel die Wahl der Kamera in der Kombination mit Ronin und Runner auf die ARRI Alexa Mini, um das Gewicht direkt auf dem Gimbal möglichst gering zu halten. Der Aufnahmekopf der Mini ist aus leichtem Karbon gefertigt und wiegt nur 2,3 Kilogramm. Da auf dem Ronin eine Beurteilung der Kadrage nur über einen externen Monitor möglich ist, montierte sich der DoP noch einen smallHD-7″-Monitor. Auch Schärfenassistent Helge Haack hatte einen smallHD 702 an seiner Funkschärfe montiert. Als B-Kamera kam eine Arri Amira zum Einsatz, vor allem, weil beide Kameras leicht zu matchen sind. Die Lichtempfindlichkeit der beiden Arri-Geräte ist sehr hoch. Das war für das Lichtkonzept nicht unwichtig.

Auswirkungen auf Gewerke

Denn durch das Gimbal-Runner-System hatte der Kameramann jetzt eine neue Freiheit am Set. Er wollte flexibel reagieren können, ohne gleich in den Handkamera-Look des dokumentarischen Stils zu verfallen. Das hatte jedoch massive Auswirkungen auf das Lichtkonzept. Denn eine größere Bewegungsfreiheit der Kamera bedeutet, die Filmleuchten laufen ständig Gefahr, im Bild aufzutauchen. Daher war eine Abstimmung mit dem Szenenbild-Department von essenzieller Wichtigkeit. Weiffenbach war sich früh sicher, maßgeblich über den Einsatz von Praticals beleuchten zu müssen.

Sehr früh in der Planung, im Frühjahr 2015, entstanden bereits erste Storyboards. Hier war noch unklar, wie die Motivlage sein würde. Später kam dann Szenenbildner Manfred Döring dazu. Im Sommer fuhren die Filmemacher und der Szenograf immer wieder nach Frankfurt und sahen sich Büroetagen und Gebäudekomplexe an. Die Motivsuche gestaltete sich, wie schon beim „Master“ derart heikel, dass die letzten Drehorte erst kurz vor Drehbeginn im November feststanden. „Es war schwierig, weil bei den Motiven immer wieder Verbindungen zur Bankwelt bestanden. Wenn ein Gebäude in Beziehung zu einer Bank stand, wurde eher gesagt: ,Dann spielen wir lieber nicht mit.‘“ Schließlich waren es wieder zwei leerstehende Motive, die als Hauptdrehorte verpflichtet wurden. Mit der Ausstattung der Sets durch Manfred Döring konnte teilweise erst zwei Wochen vor Drehbeginn begonnen werden. „Er hat es geschafft, eine ganz tolle Bankwelt entstehen zu lassen, die sehr nah an der Realität sein soll.“ Weiffenbach drückt dies deshalb so zurückhaltend aus, weil die Filmemacher nicht mal zur Recherche Zutritt zu den echten Banketagen bekamen.

Licht vs. Bewegungsfreiheit

Kameramann Weiffenbach plante in enger Zusammenarbeit mit Szenebildner Döring die Konzepte, mit denen die Szenen beleuchtet werden sollten. Es mussten Lösungen für die großen Fensterflächen gefunden werden. „Wir haben tatsächlich an Drehorten gedreht, die eine komplette Glasfassade hatten. Das machte uns stark von der Tageszeit abhängig“, erklärt Weiffenbach. Zwischen November und Dezember wurde gedreht, ein letzter Abschnitt folgte Januar 2016. Keine Monate mit großartiger Lichtausbeute. Von außen konnte das Team nichts machen. Die Motive befanden sich im 18. sowie 19. Stockwerk. Das schafft kein Steiger. Nur in einer einzigen Szene war dies möglich; es wurde nachts auf dem Dach des Hochhauses gedreht. Hier lieferte eine 12 KW HMI-Leuchte vom gegenüberliegenden Hausdach das Licht.

Morgen gibt’s den zweiten Teil – über Licht und Auflösung von “Dead Man Working”!

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