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DoP Nikolaus Summerer berichtet:

Netflix-Original “Dark”: Das Team und das visuelle Konzept

Zeitreisen, mystische Figuren und die Apokalypse: “Dark” war die erste Netflix-Serie aus Deutschland. Mittlerweile wurde bereits die zweite Staffel von veröffentlicht. Wir sprachen für unsere Ausgabe 1-2/2018 mit DoP Nikolaus Summerer über die Dreharbeiten der ersten Staffel. Hier der zweite Teil unseres Heftartikels.

Sie machten „Dark“ möglich: Regisseur Baran Bo Odar, Autorin Jantje Berg, Vice President International Originals bei Netflix Eric Barmack, Produzent Qurin Berg und Produzentin Justyna Muesch.
Sie machten “Dark” möglich: Regisseur Baran Bo Odar, Autorin Jantje Berg, Vice President International Originals bei Netflix Eric Barmack, Produzent Qurin Berg und Produzentin Justyna Muesch. (Bild: Foto: Julia Terjung/Netflix)

DAS TEAM

Für Summerer war klar, dass er gerne mit seinem Kernteamzusammen arbeiten wollte. Dazu gehörten OberbeleuchterBjörn Susen und Grip Glenn König. “Björn ist eintoller OB, kann sehr reduziert arbeiten, denkt und arbeitetvoraus”, so Summerer. “Glenn hat viel Rigging-Erfahrung,Montage auf Fahrzeugen und er ist ein sehr guter Dolly-Grip, er ,spürt‘ die Fahrten!” Beide waren von essenziellerWichtigkeit, da bei einem so großem Projekt die Arbeit nicht am Morgen der Szene losgehen kann, wenn die Tür des LKWs aufgeht. Es muss am Set ein Grundgerüst an Technik stehen, auf dem man aufbaut und das dann feinjustiert wird.

Bei dem immensen Pensum, zehn Folgen in der von Netflix geforderten hohen Qualität abzuliefern, war vonnöten, nicht nur mit A- und B-Kamera zu arbeiten, es wurde auch eigens eine 2nd-Unit aufgestellt. Die A-Kamera war in Summerers Hand, Lars Richter war sein Assistent, die B-Kamera führte Yoshua Berkowitz, der auch die Steadicam führte, ihm zur Seite stand Yvonne Geiler. “Der größere Sensor und die zusätzliche Auflösung machen die Arbeit des Focuspullers noch mal schwieriger und die beiden haben großartige Arbeit geleistet.”

Anfangs war geplant, die B-Kamera immer wieder als 2nd-Unit loszuschicken, die Drohnendrehs, Establishing- Shots und ähnliches Material einfangen würde. Schließlich  entschied man sich aber für ein eigenständiges zweites Team. Philip Haucke führte dort die Regie. Eine durchgehende Person hinter der Kamera gab es laut Summerer nicht: “Dadurch, dass die 2nd Unit zwar über den gesamten Drehzeitraum zwischen Oktober 2016 und April 2017, aber eben nicht durchgehend im Einsatz war, konnte kein DoP den gesamten Dreh übernehmen.”

Beim Dreh war es dann so, dass die 1st-Unit mit A- und B-Cam ein Set mit den Schauspielern abdrehte und dann die 2nd-Unit übernahm, um Pick-Ups oder Close-Ups zu drehen. So kam die Zusatzeinheit am Ende der 105 Gesamtdrehtage auf immerhin 45 davon, nicht selten waren auch kleinere Spielszenen darunter.

Eine wichtige Figur am Set war für Summerer sein DIT Richard Muller, ihn hatte der DoP beim Dreh zur Netflix-Produktion “The Siege of Jadotville” kennen gelernt. “Wir ergänzen uns wunderbar”, sagt der DoP. “Ich bin nicht so der technische Kameramann, er ist etwas nerdig, hat ein beeindruckendes technisches Wissen!” Mullers Kenntnisse gingen bis ins Programmieren. Er pflegte einen engen Kontakt zu ARRI, um kleine Probleme gleich auszumerzen.

Falls doch einmal technische Schwierigkeiten auftraten, erfuhr Summerer davon meist erst im Nachhinein, wenn schon wieder alles glatt lief, ohne dass der Dreh gestört wurde. Auf die wichtigsten Teammitglieder angesprochen, führt der DoP schließlich noch jemanden  auf, der gar nicht in seinem Team war. Wenn er sich jemanden aus der Crew aussuchen dürfte, den er ab sofort überall mitnehmen darf, wäre es Szenenbildner Udo Kramer. “Der ist unglaublich gut! Ich habe sehr viel von ihm gelernt. Die Fragen, die er stellt, was er anbietet, die Nuancierung, in der man sich mit ihm über Farben und Texturen besprechen kann – das war ganz großartig!”

VON “DARK” BIS “ZU DARK”

Das visuelle Konzept war komplex. Einfach dunkel reicht nicht., um zehn Folgen interessant zu gestalten. Die offizielle Vorproduktion begann Mitte Juli 2016. Odar hatte auch ein visuelles Buch und einen Leitfaden. Hier erwähnte er schon, dass er die visuelle Gestaltung gerne an die Arbeit des amerikanischen Fotografen Gregory Crewdson anlehnen würde. Crewdson gestaltet höchst eindrucksvolle, sehr kinohaft beleuchtete Fotos, die oft eine mysteriöse Situation darstellen. Schnell war Regie und DoP klar, dass diese Art Bilder gezielt eingesetzt werden müssen. Das hatte zwei Gründe: Einerseits war es sehr aufwändig, diese zu beleuchten und zu inszenieren. Andererseits konnte schnell der Reiz verloren gehen, wenn sie zu häufig auftauchen. In den Schnitt schafften es letztlich nur wenige dieser tatsächlich inszenierten Anlehnungen.

Jonas, gespielt von Louis Hofmann, findet im Atelier die Karten.
Jonas, gespielt von Louis Hofmann, findet im Atelier die Karten. (Bild: Foto: Stefan Erhard/Netflix)

Zudem machte Summerer umfangreiche Tests mit Farben und Texturen, in die auch Szenenbildner Udo Kramer und  Kostümbildnerin Anette Guther eingebunden waren. So kam eine Farbpalette zusammen, die wenig Blau hatte, viel erdige Töne und immer wieder Akzente, wie die gelbe Regenjacke der Figur Jonas Kahnwald. Aufgrund der Vielzahl an Motiven und Figuren war dies eine komplexe Aufgabe.

Trotz dieser Tatsache nutzte Summerer nur eine LUT, nicht mehrere für unterschiedliche Stimmungen. Diese Basis-LUT hatte er im Vorfeld des Drehs während und nach den Tests mit Colorist Steffen Paul bei ARRI Media Berlin erstellt. Diese war Grundlage für alle Dailies und war wichtig, damit Produktionsteam und Netflix früh eine gute Ahnung davon hatten, wohin die Reise geht. “Die gesamte Staffel ist konsistent in Look und Grading”, sagt Summerer. Die Idee, durch andere Objektive, Farben oder gar stärkere Eingriffe im Grading die anderen Zeitebenen zu erzählen, ließ man schnell fallen. Vor allem in den späteren Episoden wäre der Umschnitt von einer Zeit zur anderen verwirrend geworden.

Bei der Belichtung hatte Summerer eine klare Vorgabe. Die Innenmotive sind alle konstant auf einer 2.8er Blende belichtet. “Ich mag es nicht, wenn bei großen Sensoren der Hintergrund breiig wird” erklärt der DoP seine Entscheidung. Das gehörte schon zum Briefing seiner Assistenten zur Vorbereitung der Kamera am Set. “Die Blende musste immer auf 2.8 gestellt werden, damit ich nicht in  Versuchung komme.” An Außenmotiven sah Summerer dieses Problem nicht so stark. Hier konnten es auch mal Blende 5.6, 8 oder mehr werden.

Zur Beleuchtung arbeitete Summerer erstmals mit LEDs. Zuvor hatte er diese eher skeptisch beäugt. Seines Erachtens gib es eine elektronische Qualität des Lichts, die er leider in vielen Bildern in den Hauttönen der Schauspieler wieder finde. Budgetär und vor allem in Hinsicht auf die Zeit war er jedoch begeistert von den Möglichkeiten. Besonders zwei Geräte setzte er gerne ein. Einerseits die Litemat von Litegear. Die unterschiedlich großen LED-Panels konnte er flexibel und schnell einsetzen, zum Beispiel, um sie “kurz an die Wand zu tapen”. Die andere Richtung war das ARRI SkyPanel. Die umfassende Farbkontrolle und die Bandbreite der Palette auf Knopfdruck begeisterte ihn. Zusätzlich kamen auch viele mit herkömmlichem Glühlicht ausgestattete Practicals zum Einsatz.

Waren die Bilder Regisseur Baran Bo Odar zu hell oder zu leuchtend, erinnerte er seinen DoP im Scherze daran, dass die Serie “Dark” heiße. Die Dunkelheit zu erzählen, ohne unterzubelichten, war laut dem DoP manchmal eine Herausforderung. Es gab schon Szenen, in denen er sich hinterher fragte, ob das noch okay aussehen würde. „Wir haben schon ganz schön Gas gegeben“, sagt Nikolaus Summerer. Wird das dem Zuschauer auffallen? Summerer  winkt ab. Das seien Nuancen, die ihn als Verantwortlichen schmerzen. Wirklich abgesoffen sei ihnen nichts. Die Überprüfung der Dailies fand für ihn auf dem neuesten iPad Pro statt. Die ARRIRAWs wurden von DIT Muller zu ARRI Media geschickt und kamen auf den ARRIServer, das Webgate, wo das Team Einsicht erhielt. Das gesamte Final Grading führte Summerer nach dem Dreh mit Colorist Steffen Paul durch.

DUNKLE MOTIVE

Düsternis am Tage: In jedem Bild fand sich das Thema „Dark“ wieder.
Düsternis am Tage: In jedem Bild fand sich das Thema “Dark” wieder. (Bild: Foto: Julia Terjung/Netflix)

Die Motive waren teils Originalmotive, teils gebaute Innenmotive in den CCC-Studios in Berlin-Spandau. Die Polizeistation, die Klinik und das Pflegeheim wurden in einer ehemaligen Lungenklinik am Wannsee umgesetzt. Teile des Atomkraftwerks wurden im Velodrom, einem Radstadion in Berlin realisiert, Villa und Hotel waren Originalschauplätze. Der Wald sollte eine Mystik haben, eine Stärke, und musste regelrecht gecastet werden. Summerer erklärt, warum: “Er musste jahreszeitenunabhängig sein, da wir eine lange Drehzeit über den Winter hinweg hatten.” So kam man auf die Kiefernwälder um Berlin herum, die auch hervorragend zur Farbpalette der Serie beitrugen. Auch die Höhle wurde gesucht. Letztlich entschied sich das Team dafür, den Eingang in den Wald zu bauen und das Interieur im Studio entstehen zu lassen, um alle Wünsche zu erfüllen und mehr Kontrolle zu haben.

Ungewöhnlich für eine Serie war, dass die Drehorganisation wie für einen zehnstündigen Spielfilm ablief. Das Team drehte also jede Location ab, kehrte nicht episodisch zurück. Anders war die Serie mit dem Budget nicht zu stemmen.

Die Dreharbeiten dauerten vom 17. Oktober 2016 bis zum 10. April 2017, unterbrochen von einer vierwöchigen Weihnachtspause. Am Ende standen rund 17.000 Takes und 656 TB Daten mit über 400 Stunden Material. Was daraus geworden ist, kann jeder mit Netflix-Abo herausfinden.

Lesen Sie hier nach, warum Nik Summerer sich für die Alexa 65 entschied.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Sorry, aber es wurde nicht im Tempodrom gedreht, sondern im Velodrom. Nach 13 Jahren arbeiten in der Halle kenne ich jede Ecke. Wäre schön, wenn das korrigiert wird, denn es wird überall falsch weiter kommuniziert (z.B. Wikipedia). Hier steht es richtig:

    https://www.filmtourismus.de/netflix-dark/

    Beste Grüße

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    1. Danke für den Hinweis, wir haben das geändert!

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      1. Danke!

        Jetzt muss nur noch Wikipedia nachziehen.

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