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Equipment undercover

Im zweiten Teil des Artikels von Uwe Agnes über Dreharbeiten im Ostkongo erzählt der Autor davon, wie er die Ausrüstung zerlegte, um sie unauffällig zu transportieren. Die Story erschien in Ausgabe 5/2016. Hier finden Sie den ersten Teil.

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In Goma Alltag: Abkürzung über den Flughafen. (Bild: Uwe Agnes)

Auch bei unserem Gepäck haben wir uns bemüht, kein besonderes Aufsehen zu erregen. Auffällige Alu-Boxen sind tabu. Alles, was wir unbedingt zum Drehen brauchen, ist im Handgepäck dabei. Der „große“ JVC-Camcorder GY-HM800, der zum Glück ohnehin schon sehr kompakt ist, reist zerlegt in einem schon ziemlich schäbigen Rollkoffer. Akkus, Ladegerät und Stereo-Mikrofon mit Windschutzkorb befinden sich in einem alten Rucksack. Einen Mischer haben wir nicht dabei. Das Mikrofon schließen wir direkt am Camcorder an, und dessen Automatik wird es, wie schon so oft, wieder richten. Als Reserve für Havarie oder Diebstahl haben wir mit dem JVC GY-HM100 einen weiteren, kleineren Camcorder dabei. Auf zusätzliches Licht haben wir fast vollständig verzichtet. Der Dreh findet ohnehin überwiegend draußen und im Hellen statt. Für den Fall, dass Aufnahmen in beispielsweise einer dunklen Hütte nötig werden, haben wir ein batteriebetriebenes LED-Panel von Manfrotto dabei, das wir dann flexibel einsetzen können. Wir haben aber heilige Eide geschworen, es niemals als Kameralicht zu verwenden. Das Stativ transportieren wir zerlegt in einem der Koffer mit dem persönlichen Reisegepäck. Tatsächlich interessiert sich heute niemand für das Gepäck. Das kommt uns sehr entgegen. Bei früheren Missionen wurde allerdings kontrolliert – und die komplette Drehausrüstung trotzdem einfach durchgewinkt.

Fast festgenommen

Am Abend planen wir im Hotel unsere Dreharbeiten, während am Nebentisch das Vorauskommando des BKA schwitzend über der Sicherheit des Außenministers brütet. Auf der Eröffnung der wiederhergestellten Landebahn liegt bei dieser Mission unser Hauptaugenmerk, denn die Bauarbeiten selbst sind beendet, und wir haben schon alle anderen Geschichten rund um das Projekt beisammen.

Am meisten hatten wir bei unserer ersten Reise zu tun. Die mechanische Entfernung und der Abtransport der Lava waren da schon in vollem Gang. Insgesamt wurden über 50.000 LKW-Ladungen abtransportiert. Immer an unserer Seite, auch im schlimmsten Staub und größten Lärm: Monsieur Dodo, unser Aufpasser vom Inlandsgeheimdienst. Tatsächlich passt er nicht nur darauf auf, dass das Drehteam nach den Regeln spielt, sondern er beschützt uns auch wirklich – zum Beispiel vor der Präsidenten-Garde, die einen Teil des Flugplatzes bewacht. Die Garde ist offenbar darüber verstimmt, dass der Geheimdienst sie über unsere Tätigkeit nicht umfänglich genug informiert hat, und macht Schwierigkeiten. Das gipfelt darin, dass der Kameramann Bernd Siering beinahe abgeführt worden und somit einem ungewissen Schicksal entgegengegangen wäre. Nicht nur, dass er gerade im Abgasstrahl eines rollenden Jets steht, weil dieser statt wie sonst üblich rechtsherum gerade linksherum gewendet hat – nun erscheinen auch noch Bewaffnete und wollen ihn vom Stativ fortzerren. In letzter Sekunde erscheint Monsieur Dodo. Es folgt ein kurzer, aber scharfer Wortwechsel, die Gardisten murren noch ein wenig, dann ist die Situation ausgestanden.

Überflieger

Wir wollen nicht nur die Bauarbeiten zeigen, sondern auch das Risiko der verkürzten Start- und Landestrecke visualisieren. Die betagten Boeing 727-Frachtflieger einer kongolesischen Fluggesellschaft scheinen uns hier die beste Wahl. Also begeben wir uns, versehen mit der Information über den ungefähren Zeitpunkt von Ankunft und Abflug, an den Anfang der Piste, wo wir das eindrucksvollste Geschehen vermuten. Die GY-HM100 stellen wir auf ein kleines Stativ ganz an den Anfang der Piste, mit Blick über deren gesamte Länge. Das Stativ graben wir ein wenig ein und beschweren das Ganze mit Lavabrocken, damit das Ganze nicht im Jet-Blast davonfliegt. Wenn dann die Frachtmaschine entweder als kleiner Punkt im Himmel über dem Kivu-See erscheinen oder am anderen Ende der Piste mit dem Startlauf beginnen sollte, müsste eigentlich genügend Zeit sein, den Camcorder einzuschalten, auszulösen und sich selbst so rasch wie möglich aus der Gefahrenzone zu bringen.

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Unauffälligkeit als Gebot der Stunde: Die Haupt – kamera JVC GY-HM800 und das Back-up-Gerät JVC GY-HM100. (Bild: Uwe Agnes)

Mit dem anderen Camcorder wollen wir vom Stativ den Anflug der Maschine über die Hausdächer von Goma drehen. Dazu richten wir uns in der Verlängerung der Landebahn- Mitte ein, und zwar auf einem Weg, von dem wir denken, dass er für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Dann warten wir geduldig.

Schließlich taucht weit draußen über dem See das Licht eines Landescheinwerfers auf. Danach passiert lange Zeit nichts. Dann tritt das Phänomen auf, das Piloten als „Blooming“ kennen: Unglaublich schnell wird die Maschine unglaublich groß und auch sehr laut. Fast scheint sie in die Kamera zu fliegen. Zum Glück ist Kameramann Bernd Siering zu sehr mit der Arbeit beschäftigt, um sich angemessen zu fürchten. In diesem Moment entsteht ein Foto der Situation, das wir später vermessen. Den Abstand zwischen Hauptfahrwerk und Kamera beim Überflug schätzen wir auf vielleicht fünf Meter. So nah wollen wir in Zukunft dann doch keiner landenden Maschine mehr kommen.

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Die meterhohe Schicht Lava wird abgebaut. (Bild: Uwe Agnes)

Ohnehin staunen wir über die Situation am Flugplatz, die gemessen an europäischen Maßstäben im besten Fall ungewöhnlich ist. Auf einem Grünstreifen unmittelbar am Rollfeld spielen Kinder Fußball, und nur wenige Meter neben der Piste stehen die ersten Hütten. Deren Bewohner kürzen ihre Wege in die Stadt quer über den Flughafen ab. Fast ständig laufen Fußgänger auf der Landebahn – ein Umstand, dem die Lotsen im Kontrollturm mit stiller Verzweiflung begegnen, denn niemand von den bewaffneten Kräften, die den Flughafen bewachen, hält es für nötig, dieses Treiben zu beenden und die Landebahn freizuhalten. Es scheint fast ein Wunder, dass noch niemand von einem startenden oder landenden Flugzeug zermalmt wurde.

Über dem Vulkan

Das wahre Ausmaß der Lavabedeckung am Flughafen Goma lässt sich vom Boden aus kaum zeigen. Also organisieren wir eine kleine einmotorige Maschine, mit der wir Luftaufnahmen vom Airport und der Stadt machen wollen. Zu dem Zweck bauen wir die rechte Tür aus und werden, mit den Füßen im Freien, direkt aus der Öffnung nach unten drehen. Um die Bewegung der Kamera zu dämpfen, spannen wir sie mit einigen Gepäckgummis in der Türöffnung fest. Die Konstruktion sieht zwar ein wenig improvisiert aus, aber wer im Kongo Luftaufnahmen drehen will, darf in der Wahl der Mittel nicht allzu zimperlich sein. Nach einigen Runden über der Stadt sind wir sicher, die nötigen Aufnahmen im Kasten zu haben. Es ist aber noch gecharterte Flugzeit übrig. Also fragen wir den Piloten, ob wir nicht noch einen Blick von oben in den Schlund des Vulkans Nyragongo werfen können. Direkt darüber fliegen kann die Maschine natürlich nicht, aber auch von der Seite erhoffen wir uns einen guten Blick.

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Kameramann Siering unter der abhebenden Maschine. (Bild: Uwe Agnes)

Immerhin hüllt sich der Nyragongo heute nicht wie so oft in Wolken. Wir haben allerdings nicht bedacht, dass der Vulkan über 3.400 Meter hoch ist und es in dieser Höhe selbst in Afrika empfindlich kalt ist, zumal wenn der Fahrtwind mit 80 Knoten durch die offene Tür bläst. Noch immer leicht schlotternd steigen wir nach der Landung aus dem Flugzeug. Die 28 Grad warme Luft am Boden wärmt uns aber schnell wieder auf.

Abschied

Unser letzter Dreh im Kongo ist beinahe beschämend unkompliziert. Der UN-Flieger aus Kinshasa mit Minister und Delegation landet auf der nagelneuen Landebahn. Das kongolesische Polizei-Orchester spielt Blasmusik. Die Delegation steigt aus. Reden werden gehalten. Minister Steinmeier und der Vertreter der kongolesischen Luftfahrtbehörde zerschneiden gemeinsam ein Band und schütten Sekt auf den Asphalt. Zum Schluss gibt uns der Minister ein kurzes Interview. Das war’s – Drehschluss nach fünf Jahren.

Am Abend sitzen wir im Restaurant, meiden das einheimische Primus-Bier, das im Ruf steht, einen schweren Kopf zu machen, trinken stattdessen das ebenfalls einheimische „Mützig“ und schauen uns die Champions League auf dem Großbildfernseher an. Abgesehen vom Getränk wäre das bei einem Dreh am Genfer See auch nicht viel anders gewesen. Aber in Goma waren wir hoffentlich nicht zum letzten Mal.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Was ist das denn für ein lächerlicher Schüleraufsatz? Als Weißer fällst Du überall in Schwarz-Afrika sofort auf, ob mit großer oder kleiner Ausrüstung. Für wie blöd hält der Autor denn die Kongolesen? Wenn klein Fritztchen auf Reisen geht….
    Ich habe viele Jahre in Afrika gedreht, mit “richtiger” Ausrüstung, da ist keine Schraube geklaut worden, für ein ordentliches “Taschengeld” wurde uns sogar noch gern geholfen, das Equipment zu transportieren.

    Gruß
    Hartmut

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    1. Danke für Ihren Kommentar! Wir haben jetzt beide Artikelteile nochmal gelesen und können keine Bezüge zu den von Ihnen genannten Vorwürfen erkennen. Können Sie uns die Stelle nennen, auf die sie sich beziehen?
      Unser Autor beschreibt lediglich, dass sein Team nicht zu sehr als Drehteam auffallen wollte. Mit Angst vor Diebstahl hatte das nichts zu tun.

      Für künftige Kommentare achten Sie bitte darauf, Ihren Ton angemessen zu gestalten! Danke!

      Auf diesen Kommentar antworten

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