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Anders denken für das Netz

In der Reihe „Digitale Formate“ stellen wir Ihnen vor, wie Marktteilnehmer auf Veränderung der Branche durch den digitalen Wandel reagieren. Das Neckarsulmer Unternehmen Imagis feierte jüngst sein zehnjähriges Jubiläum. Das nahmen Geschäftsführer Michael Stadler und Kompagnon Joshua Krull zum Anlass, ihr Angebot zu überarbeiten. Sie erzählten uns in Ausgabe 5.2020, warum es dabei auf Kommunikation mit dem Kunden ankommt und wieso sie sogar Bewegtbild-Workshops für Kunden anbieten.

Die Kunden Christopher Hahn und Matthias Kollmar aus der Marketingabteilung der Volksbank Heilbronn eG mit Workshopleiter Joshua Krull. (Foto: Michael Stadler)

Die Spezialisierung ist in der Filmbranche ein wichtiges Element der Marktbehauptung und gerade jetzt wichtiger denn je. Das gilt für die einzelnen Gewerke, aber auch für Unternehmen und ihr Angebot. Die Neckarsulmer Produktionsfirma Imagis hat sich schon zu Beginn auf den Imagefilm spezialisiert. Das war viele Jahre lang ein gutes Geschäftsmodell. Der Bedarf für einen hochwertig hergestellten Corporate-Film zum Bewerben der eigenen Dienstleistung oder Produkte gehört auch immer noch in vielen Branchen zum guten Ton. Doch heutzutage gibt es ganz andere Wege, auf denen Aufmerksamkeit generiert werden kann. Die Neckarsulmer haben das schon länger erkannt und jetzt in ihre Kommunikationsstrategie übernommen.

Imagis wurde 2010 von Michael Stadler und seinen Mitgründern Steffen Burkhardt und Arne Junker ins Leben gerufen, um Imagefilme zu produzieren. Zuvor war Stadler als Einzelkämpfer nebenberuflich unterwegs gewesen und hatte Musikvideos und Werbefilme gedreht. Das Unternehmen lief, 2014 wurde aus der GbR dann eine GmbH & Co. KG.

Regisseur Joshua Krull stieß 2012 noch als Freelancer hinzu. Auch während dessen Filmstudium in Madrid riss die Zusammenarbeit nicht ab. Im Gegenteil: man produzierte gemeinsam weiter Imagefilme, für die Krull hin und her flog, und auch mehrere Kurzfilme. Denn für die persönliche und technische Weiterbildung drehte das Team Herzblutprojekte. Dafür setzten sie sich meist ein hohes Ziel. So entstand der mit dem Kameramann David Acereto („Haus des Geldes“) gedrehte „The Sands of Summers Past“ an der Küste Dorsets am Motiv von Broadchurch. Der in 2019 fertig gestellte „Psykhe“ (wir berichteten in Ausgabe 11.2019) drehten die Württemberger auf der ARRI ALEXA 65, er wurde in DOLBY CINEMA endgefertigt.

Marktsituation analysieren

Im Laufe der Jahre zogen sich die beiden Mitgründer Junker und Burkhardt aus dem operativen Geschäft zurück. Die so entstandene Lücke füllte der verbleibende Geschäftsführer Michael Stadler mit Joshua Krull, der seit dem 1. Januar 2020 als Gesellschafter mit dabei ist. Der Regisseur war schon als Freelancer sehr nah am Unternehmen und hatte Ideen eingebracht, wie andere Kundengruppen angepeilt werden können. „Joshua war ohnehin bei vielen Projekten nicht erst ab Buchung, sondern schon in der Pitchphase mit dabei. Das war ein organischer Schritt“, so Stadler. Schon 2019 hatten die beiden gemeinsam begonnen, ihre Marktsituation zu analysieren. Sie hatten immer öfter wahrgenommen, dass Anfragen zu kurzen, weniger aufwendigen Formaten vornehmlich für den Einsatz in Web und Social Media angefragt wurden.

„Wir haben bis Ende 2019 eine Strategie gehabt, in der wir nicht zwischen Budgetgrößen differenziert haben“, erklärt Michael Stadler. „Wir haben uns als Premiumdienstleister verkauft, aber wir haben gemerkt: Der Markt verändert sich.“ Viele ihrer Kunden merken, dass sie mehr Content benötigen. Nicht immer ist das nötige Budget für einen Full-Blown-Imagefilm da. Laut Michael Stadler muss das auch nicht sein. Viele der gewünschten Formate sind kürzer, aktueller und konzentrierter. Es bedarf noch immer eines Profis, um diese umzusetzen. „Aber diesen Markt niedrigerer Budgets dürfen wir nicht an uns vorbeiziehen lassen.“

Wie soll das aber funktionieren, ohne die Marke Imagis zu beschädigen? Gemeinsam mit einer Werbeagentur entwickelten die beiden Filmemacher die Idee der verschiedenen Business Units. Unter „High & Hero“ ist der gehobene Image- und Werbefilm angesiedelt, mit ausgefeilten Konzepten, mehrere Drehtagen, großen Teams. Die Sparte „Smart & Short“ beinhaltet schnelle, günstige Produktionen für Netz und Soziale Medien, mit wenig Drehzeit und kleinem Team.

Kundenkommunikation

Was ändert sich beim Planen eines solchen Auftrags? „Bei einer Smart & Short-Anfrage planen wir mit deutlich einfacheren Mitteln“, erklärt Stadler. „Zusammengefasst kann man sagen, diese Filme müssen mit Bordmitteln zu stemmen sein.“ Das hieße bei den Neckarsulmern zum Beispiel die Sony FS5 statt der ARRI AMIRA, einem kleinen Slider statt Dolly und Schienen, Ton- und Kameraassistenz in einer Person, statt mit einzelnen Mitstreitern besetzt. Hier ist selten mehr als ein Drehtag drin. Wenn bei einem solchen Projekt mehrere Niederlassungen vorgestellt und entsprechend viele Interviews geführt werden sollen, wird die Umsetzung in „Smart & Short“ unwahrscheinlich. Dennoch versucht das Team, hier Dinge möglich zu machen.

Ihre Leistung verstehen Krull und Stadler vor allem als den kreativen Verdienst, aus dieser Einschränkung das Beste herauszuholen.
Den Bedarf in diesem Marktsegment bedienen die Neckarsulmer schon länger. Nur haben sie dem jetzt einen Namen gegeben. Das geschieht auch, um beide Bereiche gezielt voneinander abzugrenzen, speziell in den Köpfen der Kunden. Ergebnis A ist nicht mit den Mitteln von B erreichbar. Das funktioniere schon sehr gut, so Stadler. Dennoch ist Kommunikation gefragt.

Imagis-Co-Gründer und Kameramann Michael Stadler beim Materialcheck während eines Dokudrehs in Ruanda. Foto: Joshua Krull

„Wenn eine Projektanfrage bei uns landet, komme ich sehr schnell auf das Thema Budget zu sprechen“, so Stadler. Er versucht, der üblichen Verfahrensweise vieler potenzieller Kunden, Angebotsvergleiche durchzuführen, etwas entgegenzusetzen. „Wer zu fünf verschiedenen Agenturen oder Produktionsfirmen geht, kriegt fünf verschiedene Angebote, die sich meist nicht vergleichen lassen.“ Zu unterschiedlich sind die Angebote. Agenturen vergeben den Auftrag meist ohnehin weiter, müssen also noch daran verdienen, einige Unternehmen haben eigene Ausrüstung, andere nicht, viele Herangehensweisen sind unterschiedlich. Doch der Grund, aus dem viele Kunden vergleichen wollen, ist laut Stadler immer der Gleiche: „Sie haben Angst, zu viel auszugeben!“

Daher dreht er den Ablauf um und rät seinen Kunden: „Gib den Budgetrahmen bekannt und hole dir auf der Grundlage Konzeptvorschläge ein.“ Dabei unterstützt Stadler gerne mit Beispielfilmen aus dem eigenen Portfolio und einer groben Info über deren Budget. Stadler ist überzeugt: Diese Kommunikation muss Teil der Dienstleistung sein.

Images Academy

Die dritte Unit „Film & TV“ bietet Production Services für Broadcast und Film- produktionen. Hier brachte Krull ein großes Netzwerk aus dem Kinobereich mit in das Unternehmen ein.

Größere Teams, großes Besteck: Beispielproduktion für die „High & Hero“-Sparte. Foto: Daniel Habermaas

Die vierte und vermutlich für eine Imagefilmfirma ungewöhnlichste neue Unit ist die Imagis Academy. Hier bieten die Macher Grundlagen-Workshops zur Bewegtbildherstellung an. Auslöser war ein Kunde, der schon einen größeren Imagefilm mit Imagis umgesetzt hatte. Dieser wollte mehr Bewegtbild in seinen sozialen Netzwerken unterbringen, hatte aber nicht

die Budgets, dies dauerhaft außer Haus zu geben. Sie probierten die Postproduktion selbst aus. Das ging schief, inklusive schlimmer Kommentare in den sozialen Medien. „Da gab es den Wunsch, das besser hinzukriegen, also haben sie gefragt, ob wir sie coachen“, so Stadler. „Da haben wir erst mal überlegt: ,wollen wir das überhaupt machen?‘“ Die Vorteile überwogen. Sie hielten einen Kunden, der die Produktionsbudgets für diese Filme ohnehin nicht gehabt hätte. Außerdem vermittelten sie nur grundlegende Inhalte, machten eine kurze Adobe-Premiere- Schulung, erklärten Schnittbasics wie den Achsensprung. „Natürlich kannst du in einem Halbtages-Workshop niemanden zum Editor ausbilden. Darüber brauchen wir nicht zu reden“, so Stadler. Dem Kunden gefiel es, also erarbeitete das Team von Imagis zusätzlich zu den „Grundlagen des nonlinearen Videoschnitts“ drei weitere Workshops zu den Themen „Grundlagen der Filmproduktion“, „Grundlagen Motion Graphic Design“ sowie „Grundlagen der Video- und Tonaufnahme“.

Ort für Workshops: Die Imagis-Postproduktionsabteilung. Foto: Michael Stadler

Bei den Workshops machte das Team eine erstaunliche Entdeckung. „Wir haben gemerkt, dass wir damit ein Bewusstsein bei unseren Kunden schaffen, wie wir arbeiten“, so Stadler. „Das schafft eine ganz andere Wahrnehmung und Wertschätzung unserer Arbeit.“ Die Workshopteilnehmer sind oft Mitarbeiter aus dem Marketing der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Anhand der Basics realisieren diese nun, welcher Aufwand hinter den großen Produktionen der Imagis steckt, die oft als Beispiel herhalten. So können die Unternehmen deutlich besser einschätzen, was sie mit Bordmitteln schaffen können und wann ein Unternehmen wie Imagis nötig ist. Das gilt für hochwertige Imagefilme, aber auch für weniger aufwendige Netzformate, die vielleicht günstiger, aber effektiv auf ihr jeweiliges Kommunikationsziel hingeschneidert sein müssen – von Profis.

Grundlagen-Vermittlung

„Natürlich ist der Workshop eine ambivalente Geschichte“, ist sich Michael Stadler bewusst. „Wir geben sicher auch Kompetenzen aus der Hand. Aber die Leute merken auch, dass die Erfahrung und die Kreativität unsere Leistung ist. Und die kann man nicht in einem Workshop vermitteln.“

Dennoch haben Krull und Stadler eine Grundregel für die Academy-Workshops. Alle Inhalte, die vermittelt werden, sind absolute Grundlagen, die auch jeder SAE-Student hat, bevor er einen Fuß in die Uni setzt. „Wir glauben nicht, dass wir uns da Konkurrenz heranziehen“, sagt Joshua Krull. „Wir geben die Fähigkeit an die Hand, etwas zu produzieren, das technisch und inhaltlich funktioniert.“

Die vier Grundlagenworkshops sind ab jeweils 495 Euro zu haben, maximal vier Teilnehmer sind zugelassen. Der Preis ist als niedrigschwelliges Angebot zu verstehen. Wer keinen Imagefilm extern produzieren lassen kann, wird auch keinen vierstelligen Betrag für die Workshops zahlen können. Je nach Aufwand, ob Imagis Ausrüstung mitbringt oder zum Kunden fährt, erhöht sich dieser Preis individuell.

Zu den vier Basic-Workshops bieten die Neckarsulmer Schwerpunkt-Workshops für Licht, Grip oder auch Teamplanung an, die einzelne Aspekte näher beleuchten. Hochinteressant ist der Workshop Green-Producing, bei dem es um nachhaltiges Filmemachen geht. Ihre eigene Kurzfilmproduktion „Psykhe“ hatte 2019 den Grünen Drehpass der Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein erhalten. Diesen Workshop bieten sie zusätzlich zu ihrem klassischen Kundenklientel auch Produktionsfirmen und Filmschaffenden aus ihrem Umfeld an. Außerdem engagiert sich das Team im Bildungsbereich und gibt für Schul-AGs Grundlagenworkshops im Filmemachen.

Die Kunden für die Academy finden Stadler und Krull nicht über klassische Akquise. „Bei der Marketingstrategie, die wir gerade fahren, setzen wir aktuell primär auf Social Media und Google Adwords“, sagt Michael Stadler.

In ihrem zehnten Jahr sehen Krull und Stadler ihre Firma damit gut aufgestellt. Sie sehen viele Kollegen über digitale Formate und deren Minderwertigkeit schimpfen. Günstige Technologien werden eingesetzt, daran führt kein Weg vorbei. An ihnen ist es, dies nicht in die Hände von YouTubern oder anderen branchenfernen Machern zu geben, sondern es selbst in die Hand zu nehmen. So erhält Imagis sich jedenfalls die Handlungshoheit in ihrem Hauptbroterwerb. Und am Ende sei immer eines wichtig: „Wir sind mit Leidenschaft dabei“, sagt Michael Stadler. Und wenn man das ihrer Arbeit ansieht, sind die Filmemacher glücklich. [12472]

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