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Produktion in vier Tagen

Greenscreen-Dreh mit Puppentrick

Wenige Tage Produktionszeit und geringes Budget. Was bei anderen Unternehmen für Stress und das Herunterfahren des Anspruchs sorgt, lässt die bumm film GmbH in Otterfing bei München erst aufdrehen – wenn dafür künstlerische Freiheit garantiert ist. Tommy und Nico Krappweis sowie Regisseur David Gromer drehten im eignen Studio ein Musikvideo mit Klappmaulpuppen und berichten für unsere Heftausgabe 7-8/2019 über das Projekt.

Das vollzählige Puppenspielerteam: Norman Cöster, Miron Kleinbongrad, Sam Winter (hinter der Trommel), Melanie Graf, Puppenbauer Tim Pomorin, Schlagzeuger Stefan Brunner, Sophia Krappweis und Tommy Krappweis (Foto: bumm film GbmH)

An Tag 1 des Drehs traf sich das Team im Studio. Das Bild der Kamera wurde direkt auf den Avid gespielt um eine direkte Nachbearbeitung zu ermöglichen. Ziel war es die langen Wandlungszeiten zu umgehen. Beim Einrichten des Bildes war schnell klar, dass der Greenscreen noch ein Stück höher darf, damit die Puppenspieler während des Spiels stehen können. Der Vorteil eines eigenen Studio ist, dass man es nicht extra bezahlen muss. Die „normale“ Ausstattung ist vorhanden, zusätzliche Ausrüstung muss extern angemietet werden. Das Puppenspiel erfordert zum Beispiel Monitore, die große genug sind und gleichzeitig gespiegelt werden können. Diese waren nicht in ausreichender Anzahl vorhanden, um gleichzeitig acht Puppenspieler zu versorgen – ohne dass diese sich gegenseitig die Monitore verdecken. Vor allem für die Bandszenen war eine dauernde Überprüfung dessen, was man vor der Kamera tut, unablässig. David Gromer erklärt, warum normale Monitore nicht funktionieren: „Das klingt so harmlos, aber es ist, als ob man dir die Arme abnimmt und getauscht wieder dransetzt. Krass!“ Für die spielerintensiven Einstellungen der Puppenband, in der mehr als sechs Puppenspieler im Einsatz waren, musste eine Lösung her. Das Team improvisierte mit einem großen Monitor, vor den ein Spiegel gestellt wurde. Auf diesen Spiegel wurden jetzt fünf kleine Handycams gerichtet, die jeweils direkt mit einem handelsüblichen Monitor verbunden waren. Das Team, bestehend aus Sam Winter, Melanie Graf, Norman Cöster, Tim Pommorin, Miron Kleinbongard, Sophia Krappweis und Tommy Krappweis, machte sich dann unter Regie von David Gromer am zweiten Tag an die Aufnahmen. Sogar der echte Schandmaul-Drummer Stefan Brunner schaute vorbei und spielte „seine“ Hände. Hier zeigte sich die enorme Erfahrung der drei Bernd-das-Brot-Recken. Gromer brauchte keinen Drehplan, sondern nur Krappweis’ Story. „Da war die Shotlist sofort vor Augen, was man braucht ist klar und deutlich. Zumal das Setting überschaubar war: Wir hatten einerseits die Bandebene, dann die Spielebene mit den Untertanen, die zum König gehen“, erklärt Regisseur Gromer die Vorbereitung. Für Puppen gilt die alte Sesamstraßen-Regel. Der Bauchnabel der Puppe ist der untere Rand, danach sieht man Kopf, Arme oder gar den Bühnenübergang. Diese Ebene wird auch beibehalten, wenn die Figuren weiter nach hinten in die Bildflucht gehen.

DIREKT IN DEN MEDIA COMPOSER
Die Einstellung war, wie bei typischen Puppendrehs üblich, eine frontale Einstellung in der Totalen oder Halbtotalen, was bei Puppen eigentlich immer „Amerikanische“ heißt, da sie ja keine Beine haben. Als Kamera kam die Blackmagic Design Studio Camera 4K zum Einsatz. Diese schickte das Bildsignal über einen Blackmagic Design ATEM-Bildmischer direkt in den Avid Media Composer. Dort wurde direkt in die Timeline auf DNxHD 185X aufgezeichnet. Die digitalen Hintergründe wurden zuvor in den ATEM als JPG-Bilddateien hinein geladen und live auf den Greenscreen-Key gelegt. Über die AJA-I/O-Box wurde dieses Signal wiederum aus dem Media Composer ebenso live ausgegeben und über HD-SDI an die Monitore – beziehungsweise den großen Spiegel – verteilt. Hat das problemlos funktioniert? „Ganz hervorragend“, schwärmt Nico Krappweis, für diese technische Umsetzung verantwortlich. Dieser Aufbau wird sogar Schule machen. „Wenn das Studio später einen Regieraum bekommt, wird dieser Anschluss direkt an unserem ISIS-System stecken. Das direkt und immer vernetzt zu haben, wäre superklasse.“ Die einzelnen Szenen waren vorgeplant, deren Inhalt aber nur grob skizziert. Viele Gags kamen erst am Set hinzu, einfach aufgrund des eingespielten, kreativen Teams. Diese wurden kurz geprobt und dann aufgezeichnet. Bei all der Technik war einer besonders wichtig am Set: Regisseur David Gromer. Tommy Krappweis erklärt, warum:.„Du brauchst einen Regisseur, der dir sagt, ob der Gag funktioniert hat.“ Puppen haben ein anderes Comedytiming als echte Menschen. Aufgrund der eingeschränkten Physis müssen Bewegungen übertrieben, aber untereinander abgestimmt sein. „Wenn der visuelle Gag bei einer Figur liegt, darf die andere daneben zum Beispiel nichts Lustiges tun, sonst weiß der Zuschauer nicht, auf wen er sich konzentrieren soll.“

In der Werkstatt von Puppenbauer Tim Pommorin (rechts) wird schon das nächste Projekt besprochen. Miron Kleinbongard (links) und Norman Cöster geben Feedback (Foto: Timo Landsiedel)

GAGAUFBAU
Die Erfahrung in der Comedy bewahrte die Macher vor halben Sachen. Je absurder ein Gag ist, desto besser muss er vorbereitet sein. So nimmt der König den Untertanen anfangs nur Lebensmittel oder Vieh weg. Dann beginnt er, auch die Nase einer Figur abzureißen, dann einen Arm und schließlich zieht er kurzerhand die ganze Klappmaulpuppe vom Arm des Spielers. Die Hand schreit darauf auf, wie die Puppe zuvor und stürmt aus dem Bild. „Das ist nur dann lustig“, so Krappweis, „wenn wir vorher etabliert haben, dass die Puppen aufschreien, wenn ihnen etwas weggenommen wird.“ „Wir waren pünktlich um 18 Uhr fertig. Keine einzige Einstellung fehlte“, erinnert sich Tommy Krappweis. David Gromer fügt hinzu: „Tatsächlich ist das eines der Projekte, in denen fast jede gedrehte Einstellung im Film zu finden ist. Wir haben exakt das gedreht, was wir brauchten. Das war sehr effizient!“ Die Postproduktion konzentrierte sich dann auf den kreativen Schnitt, der gut an zwei Tagen zu schaffen war – das Umwandeln fiel ja flach. An zwei Stellen musste mal ein Arm oder ein Kopf durch fünfprozentiges Einzoomen eliminiert werden. Schon zu Anfang hatte festgestanden, dass das Video am Ende einen Old-Film-Look mit entsättigten Farben, leichtem Korn und Filmkratzern bekommt. Hierfür reichte den Machern ein Avid-Plug-in. Am Ende konnte der Clip zur Singleveröffentlichung pünktlich seinen Weg in die Videoportale finden. Dort wurde „Der Totengräber“ innerhalb kürzester zeit über 150.000 mal angeklickt. Das Album schaffte es direkt auf Platz 2 der deutschen Albumcharts. Aber das ist Schandmaul fast schon gewohnt.

Lesen Sie hier wie bumm film dazu kam das Video zu drehen und welche Arbeiten sie noch mit der Musikgruppe veröffentlichte.

Das Musikvideo „Der Totengräber“ von Schandmaul können Sie hier sehen:

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