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Raum lassen, Raum ausfüllen

Produzent Matthias Greving über das Zusammenspiel von Kamera und Regie

Matthias Greving und sein Team erhielten 2016 den Förderpreis Neues Deutsches Kino für „Die Hände meiner Mutter“. Uns Autor Gerdt Rohrbach sprach für die Heftausgabe 7-8/2019 mit dem Produzenten der Kinescope Film und TAG/TRAUM Filmproduktion.

Foto: Benjamin Eichler

Auf der Homepage von Kinescope Film steht „Jeder Film ist ein Kunstwerk, aber anders als in der Malerei oder der Fotografie ist der Film ein kollektives Projekt.“ Es gibt aber auch die Auffassung, dass in der Filmkunst große Leistungen auf Einzelne zurückgehen.
Der Satz ist für sich genommen natürlich richtig. Er lässt allerdings aus, dass große Denker fähige Menschen brauchen, die in ihren jeweiligen Bereichen großköpfig sind. Dem Gedanken vom Film als kollektivem Projekt widerspricht nicht, dass zum Beispiel ein Regisseur an erster Stelle steht. Ich halte es lieber mit Milos Forman: „Als Regisseur musst du alles können, du musst aber vor allem Menschen finden, die alles, was du am Set brauchst, besser können als du.“ Deshalb sollte man sich bewusst sein, dass man mit der optimalen Kommunikation bei diesen Menschen etwas in Gang setzen kann, so dass durch den kollektiven Prozess ein Maximum an Qualität entsteht. Das heißt allerdings nicht, dass das ganze Projekt in Harmonie abläuft. Es gibt zwar viel Harmonie, es gibt aber auch viele Konflikte.

Wenn man eine Crew für ein Filmprojekt zusammenstellt, arbeitet man ja meist mit Leuten, zu denen man aufgrund vergangener Erfahrungen Vertrauen hat. Arbeiten Sie auch mit ganz neuen Leuten?
Ganz oft sogar! Eins vorab: Jedes Projekt hat seine besondere Herausforderung, und ich glaube fest daran, dass Kamera und Regie als zentrales Zweierteam immer besonders im Fokus stehen und deshalb optimal zusammenwirken müssen. Die müssen funktionieren, aber nicht im Sinne, dass sie sich beschützen, sondern sich unterstützen, das heißt der Raum, den der eine lässt, muss durch den anderen ausgefüllt werden. Gerne übernehme ich bestehende Teams, um auch etwas Sicherheit in den ganzen Ablauf zu bringen. Auf der anderen Seite praktiziere ich eine bewusste Offenheit einer neuen Crew gegenüber. Davon habe ich früher selbst ganz besonders stark profitiert, nämlich indem man mir einen gewissen Freiraum gelassen hat. Man muss also nicht schon 30 Filme gedreht haben, um bei uns arbeiten zu können.

Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie beispielsweise bei „Die Hände meiner Mutter“ das Team aus DoP und Regie ausgewählt?
Es musste eine intelligente, empfindsame, in puncto Technik auf der Höhe der Zeit stehende Kamera sein, die bei diesem unglaublich fragilen Stoff weiß, wie man sich einem Tabu-Thema nähert. Es braucht also einen Vertrauten für den Regisseur, der so feinfühlig ist, dass er die ganze Stimmung am Set unter Kontrolle hat. Das andere ist die Technik. Die muss man so gut beherrschen, dass man sich nicht allein auf die Technik selbst konzentrieren muss.

Sensibles Familiendrama mit Tabu-Thema: „Die Händer meiner Mutter“ (Foto: Kinescope Film)

Gab es bei „Die Hände meiner Mutter“ dafür ein Beispiel?
Ich erzähle Ihnen jetzt etwas, was nur die Leute wissen, die am Set waren. Wir haben in einem Hotel in Bremen-Vegesack gedreht und an diesem Tag dauerte es länger als sonst, weil wir mit sehr vielen Komparsen gedreht haben. Da fing der Kameramann an, Klavier zu spielen. Der kleine Junge, der den Sohn des Protagonisten im Film darstellte, fing dann an, sich mit dem Kameramann zu unterhalten und der hat es geschafft, auf diese Art und Weise die Wartezeit zu überbrücken. Als wir weiterarbeiten konnten, nahm er seine Kamera vom Klavier und machte weiter. Dieses Entspannte merkt man dem Ganzen an. Der Kameramann, und das habe ich während meiner Produktionen erlebt, ist der Nabel der Gewerke. Deshalb ist er auch so unheimlich wichtig. Ein starker Kameramann mit klaren Vorstellungen ist aber kein zweiter Regisseur.

Wie entstand denn die Idee, den jungen und den erwachsenen Protagonisten von ein und derselben Person darstellen zu lassen?
Das ist im Rahmen eines Test-Drehs entstanden, den Florian Eichinger mit Lars Eidinger, der die Rolle des Markus spielen sollte, zusammen ausprobiert hatte. Als man sich dann die Bilder angesehen hat, waren alle begeistert. Ein Argument war ganz pragmatisch. Man wollte nämlich kein Kind dieser Situation aussetzen. Trotzdem hatten wir darüber nachgedacht. Auf diese Weise aber ist es erdrückend, störend und es bildet einen Denkanstoß. Man fragt sich warum, und gibt sich fast gleichzeitig die Antwort und damit wird das Ungeheuerliche viel krasser und sichtbarer, als es jemals hätte sein können, wenn wir mit einem Kind gedreht hätten. Gleichzeitig ist es auch weniger klischeehaft, viel leiser. Das war das Ansinnen. Mit Timo Schwarz hatten wir einen Kameramann gefunden, der genau das beherrschte. Markus wurde gespielt von Andreas Döhler und der Kameramann wusste, das ist ein Kind, und so nehme ich das auch auf.

Matthias Greving spricht spricht weiter über “Commercial Story Telling” und die Wagnerfestspiele. Lesen Sie hier wie das Interview weitergeht.

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