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„Die Welt ist eigentlich ein schöner Platz“

Interview mit DoP Markus Förderer

Markus Förderer (BVK) hat an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert. Von da aus ging es nach dem Genredebüt „Hell“ in Rekordtempo nach Hollywood. Dort drehte er „Independence Day: Resurgence“ auf der RED Dragon. Warum er trotz VFX viel gleich „on set“ machte, erzählte er Jens Prausnitz auf dem letztjährigen Camerimage-Festival.

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(Bild: Jens Prausnitz)

Seine schwäbische Herkunft hört man Markus Förderer nicht an, eher ist man überrascht, wie viele Anglizismen sich in seinen Sprachfluss eingeschlichen haben – die wirken aber keinesfalls aufgesetzt, sondern sind eher Anzeichen dafür, wie sehr er bereits in Hollywood angekommen ist. Sympathisch macht den bescheidenen Handwerker vor allem sein behutsamer Humor, der gelegentlich hinter seiner Zurückhaltung aufblitzt.

Die letzten drei Jahre nach „Finsterworld“ müssen ja eine ziemliche Achterbahnfahrt gewesen sein.

Ich hab danach mit Mike Cahill „I Origins“ in New York und Indien gedreht, danach einen Abschlussfilm von Janna Ji Wonders in San Francisco – die ist Halbamerikanerin und da aufgewachsen, das war ein ganz interessantes Projekt, das heißt „I remember“ und lief auf der Berlinale. Und dann hab ich mit Roland „Stonewall“ gedreht in Montreal, Kanada, zwei Tage in New York für Plates, aber im Prinzip ist alles in Kanada gedreht und dann „Independence Day 2“ bis August 2015, damit sind wir jetzt in der Post. Das wird aufregend, das fertig zu kriegen.

Wie bist Du mit dem Wechsel der Projektgröße zurechtgekommen?

„Hell“ war ein Debütfilm für Tim – und für mich ja auch mein erster Film, der war schon relativ groß, aber natürlich ein kleines Projekt, dafür aber relativ aufwändig. Wir hatten ziemlich viele Drehtage, ich glaube 50 oder 52, und haben auf Korsika in einem Waldbrandgebiet gedreht, dann an verschiedenen Orten mit recht viel Staub, fünf Tonnen Staub, Riesen-Windmaschinen und so weiter und so fort. Es war schon aufwändig sich zu überlegen: „Wie kann man das machen, für so ein bescheidenes Budget?“ Und ich glaub, es gibt nur fünf Visual Effects Shots. Und da war damals Roland Executive Producer, der hat dann den Film, ich glaube, erst ein Jahr später gesehen. In L.A. hat er ein Screening gemacht, zu dem hat er Produzenten und Studioleute eingeladen, eigentlich um Tims nächsten Film anzustoßen, und da hat er ihn wirklich zum ersten Mal final gegradet und gemischt auf der Leinwand gesehen, und war begeistert. Auch davon mit wie wenigen Visual Effects Shots das ging, weil er am Anfang immer Bedenken hatte: „Wie wollt ihr das hinkriegen?“ Weil das im Drehbuch so beschrieben ist, dass es halt so postapokalyptisch ist, in Deutschland gedreht, in Wäldern und so weiter und so fort.

Das meiste davon war also „in camera“?

Das meiste in camera, mit Überbelichtung und ganz viel Staub in der Luft. Die Hintergründe waren meistens grüne Wälder, saftige Wiesen, oder irgendwelche Gebäude, die da nicht hinpassen, die sind durch ganz viel Staub und Überbelichtung verschwunden. Wir haben ganz viel getestet, mit Film, fünf Blenden überbelichtet, dann wieder zurück geprintet, um das interessant zu machen, und am Ende haben wir das eben digital gedreht. Dabei haben wir uns zunutze gemacht, dass Digitalkameras leichter clippen, weil man dadurch diese Illusion von härterer Sonne kriegt, das war eigentlich ganz gut.

Aber ausgerechnet bei Digitalkameras noch überbelichten?

Ja, da muss man gucken. Und man kann’s natürlich genau kontrollieren, man sieht was ist da und was nicht. Aber ich hatte nie beim Grading das Gefühl, da fehlt jetzt etwas, das man zurückholen wollte. Es sah schon ganz gut aus, so wie wir’s gedreht haben. Und es ist auch anders, wenn man es im Grading einfach aufreißt. Wenn so ein Sensor schon beim Drehen mit Licht überladen wird, dann verhält sich das einfach anders.

Kommen wir zu „Finsterworld“ – wie nähert man sich einem Bild, das nicht nur die Brennöfen der Nazis zeigt, sondern sich sogar in deren Inneres vorwagt?

Ich hab das Buch gelesen und kannte die Frauke (Finsterwalder, Regisseurin und Autorin) noch nicht, das kam über die Produzenten, und ich dachte „Oh Gott, dieser Stoff klingt ja deprimierend, ich glaub, das werde ich nicht machen“. Du willst ja keinen Film machen, der so deprimierend ist, steckst so viel Zeit rein, und dann guckst du dir das später an und denkst, die Welt ist ein schlechter Platz. Dann haben wir uns getroffen, und das war dann aber ganz interessant und inspirierend, weil Frauke es eben auch so sieht. Interessant ist, dass man eben gerade nicht graues, bewölktes Deutschland zeigt, und dann noch so eine Thematik, wo viele der Figuren unglücklich sind, sondern dass gerade interessant ist, dagegen zu arbeiten. Also zum Beispiel finde ich, dass (schaut aus dem Fenster in den grau-trüben Himmel von Bydgoszcz) die Welt eigentlich ein schöner Platz ist (lächelt). Also du weißt, was ich meine, es ist immer sonnig in „Finsterworld“, alles ist eigentlich toll, die haben tolle farbige Kostüme, es könnte alles großartig sein, aber die Leute selbst führen mit ihrem Verhalten dazu, dass zum Beispiel der Einsiedler diesen Jungen erschießt und so weiter. Es ist alles sehr miteinander verwoben, wieso machen die Leute sich eigentlich nicht gegenseitig das Leben schön? Die Natur und die Welt ist eigentlich toll, und dieser Gegensatz ist interessant, und macht dann auch hoffentlich Spaß zu gucken.

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Stets Kontrolle über das Licht (Screenshot aus dem Trailer zu „Independence Day: Resurgence“) (Bild: Jens Prausnitz)

Hattet ihr bei „Hell“ mehr Storyboards als bei „Finsterworld“?

Ja, ich glaub schon, weil Tim sich auch sehr gerne gut vorbereitet und der das auch sehr gut zeichnen kann. Dann sitzen wir zusammen und er zeichnet das und wir reden drüber. Und „Finsterworld“ – ich glaub, gestoryboardet haben wir … (denkt nach) nicht wirklich, aber viel Motive besichtigt, Fotos gemacht und auch ausprobiert mit Stand-Ins, Frauke war immer das Stand-In (lacht). Im Film trägt auch die Sandra Hüller ihren Original-Mantel, weil wir den immer bei den Motivfotos drauf hatten. Frauke hat mir immer Kostüme gezeigt, und dann hab ich irgendwann gesagt „Dieser Mantel, den du immer anhast, sah doch super aus, der passt der doch bestimmt”, und dann hat sie ihr ihren Mantel gegeben.

Wie ging es dann weiter?

Danach habe ich „I Origins” gedreht, was eigentlich, glaube ich, nach einer größeren Produktion aussieht vom Production Value her, weil wir in New York und Indien gedreht haben. Und wir hatten schon so’n paar Toys: Motion-Control-Kran für eine Szene und so Sachen. Aber im Prinzip war das der kleinste Film, den ich jemals gemacht hab. In Amerika ist das auch schwer für Indie-Firmen. Entweder hat man ein gewisses Budget, dann wird man Union-Film oder man muss es ganz klein halten, um dann flexibel zu sein und Freiheiten zu haben. Dann war das wirklich sehr klein, also auch das Team wahnsinnig klein. Und der Mike (Cahill, Regisseur von „I Origins“) auch sehr fordernd, der mag sehr naturalistische Bilder, oder mag nicht die Idee, dass da viel gestaltet wirkt, beeinflusst ist. Trotzdem mag er natürlich, wenn es toll aussieht, hoffentlich passiert es einfach zufällig so, aber da muss man natürlich nachhelfen. Wenn man das auf einen ganzen Film hin will, dass es „zufällig“ so aussieht, wie es Sinn macht für die Geschichte.

Wie bist Du nach „I Origins“ mit Roland Emmerich zusammengekommen?

Den Film hat dann auch der Roland gesehen und fand den ganz interessant. Ausschlaggebend war aber, dass er „Hell“ im Hinterkopf behalten hatte, nach dessen Screening er schon meinte, er hätte da ein kleines Projekt, ich sollte ihn auf dem Laufenden halten. Nach der Premiere von „I Origins“ in L.A. schickten sie mir dann das Buch von „Stonewall“, einen Tag vor unserem Treffen. Dann hab ich halt versucht, Bilder dazu zu finden und mich vorbereitet. So läuft das in Amerika, da gibt es Pitches, du wirst als Kameramann gecastet wie ein Schauspieler, erzählst deine Ideen und zeigst Bilder, wie man sich das vorstellt. Ich bin ja ein Riesen-Roland-Emmerich-Fan und damit aufgewachsen. Als ich „Independence Day“ gesehen hab, wollte ich Regisseur werden und Filme machen. Bis ich dann eben gemerkt habe, dass Regie nicht das ist, was mich interessiert, sondern mehr die visuelle Seite. Jedenfalls haben wir dann miteinander geredet, ein paar Tests gedreht, und er war hin und weg, alles super. Auf dem Nachhauseweg hab ich gehört, wie er dem Produzenten „Hire the kid“ zugeflüstert hat, weil ich für die so ein junger Typ bin. Dann haben wir „Stonewall“ gedreht, das war dann für ihn ein kleines Projekt. Für mich war das natürlich riesig. Ich weiß nicht, wie viel es tatsächlich am Ende gekostet hat, aber um die 20 Millionen. Das war eine interessante Erfahrung, weil der Roland erklärt manchmal gewisse Dinge nicht ausführlich, und dann muss man einfach genau verstehen, was er will. Wenn man seine Filme kennt und ihn kennt, dann weiß ich auch, was er will, ohne dass man das jetzt genau bespricht und dann sieht er es, und findet es super. Dadurch funktioniert das ganz gut, wenn manchmal andere Departments vielleicht Probleme haben, wenn sie sich nicht so auf die Welt einlassen können. Er hat auch schon ganz am Anfang gesagt: „Wenn das gut läuft, dann machen wir Independence Day zusammen.“ Dann fand er alles super, auch das Grading von „Stonewall“, und ich dachte: „Mal gucken.“ (lacht) Roland liebt es ja, digital zu drehen, dass man so lange Takes drehen kann. Wir drehten für „Independence Day“ wahnsinnig viel Material, mit mindestens zwei, manchmal drei oder vier Kameras gleichzeitig. Dann dreht man jeden Tag 16, 18 Stunden, und da fällt wahnsinnig viel Material an. Dabei ist natürlich wichtig, dass es trotzdem so eine filmische Qualität hat. Und da finde ich, ist die Bandbreite groß: Manche, auch wenn die vielleicht alle auf einer Alexa gedreht worden sind, sehen nach Fernsehfilm aus. Andere sehen aus wie ein Painting.

Was war noch besonders an den Dreharbeiten zu „Independence Day“?

Roland ist es halt gewöhnt, im Studio zu drehen und mag sehr die totale Kontrolle.

Hast Du davon jetzt einen Grünstich im Auge?

Nee, Blaustich, wir drehen nur Bluescreen, kein grün. Finde ich angenehmer für die Haut, es gibt nicht diesen Green Spill, sondern … und wenn, sind es Spiegelungen des Himmels. Er mag auch totale Kontrolle übers Licht und den Look haben, und weil wir eben so lange drehen, wird alles im Studio gedreht. Das war fast alles New Mexico, Albuquerque. Die Herausforderung bei so viel Bluescreen ist halt, dass es am Ende des Tages nicht aussieht wie so ein Computerspiel, weil viel aus dem Computer kommt. Man dreht ja immer die Schauspieler in echt und die Vordergründe mit – was weiß ich, Autos und gewissen Kulissen, dass das so gedreht ist und sich nahtlos integriert. Da ist einfach wichtig, dass der Vordergrund echt und interessant aussieht, obwohl es im Studio gedreht ist. Da habe ich durch „Stonewall“ viel Erfahrung gehabt, wie man Tag-Außenszenen im Studio macht, dass man glaubt, es ist eine echte Sonne. Der Cast war auch wahnsinnig groß, mit vielen Figuren aus dem ersten Film.

Bis auf Will Smith, der hat ja wohl doch nicht zugesagt.

Ja, da gab’s lange Gespräche, und dann irgendwann haben sie gesagt … es gab auch verschiedene Drehbuchversionen, mit und ohne ihn. Es gab viele Massenszenen, zehn, zwölf Figuren, die zusammenkommen, was eine Herausforderung für Mastershots ist. Wir drehen immer Master und zwar von jeder Einstellungsgröße – du kannst jede Einstellungsgröße nahtlos schneiden an jedem Moment. Da ist Roland ein Genie darin, das so zu inszenieren, dass man jeden Moment verwenden kann, und es wird nicht mal irgend so ein Pickup gedreht von einem Close-up, sondern dann wird auch im Close-up die ganze Szene gedreht, und dann für den Nächsten den Nächsten, es gibt wahnsinnig viel Coverage. Aber dadurch sind seine Filme halt auch, glaube ich, so groß, weil man das Gefühl hat es wird einem nichts vorenthalten. Es gibt große Bilder, und dann sieht man das nicht nur von einer Seite, sondern aus drei verschiedenen Winkeln, und zwar 360 Grad, und wir drehen auch mehrere Achsen, und dadurch hat man das Gefühl, dass man halt wirklich da steht, in diesem riesigen Raumschiff.

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Hauttöne mit RED Dragon: Enorm wichtig für Förderer. (Screenshot aus dem Trailer zu „Independence Day: Resurgence“) (Bild: Jens Prausnitz)

Und wie war die CGI-Integration? Ich nehme an, man wird auch Außerirdische sehen.

Man munkelt, sie kommen zurück (grinst). Wir hatten aber, wir haben so ein System, das nennt sich NCAM, das zeigt einem in Echtzeit an, was hinter dem Bluescreen ist, und das ist in Echtzeit getrackt. Also zwei Witness Cameras, die unter der Hauptkamera sitzen, und du kannst theoretisch Handkamera machen und dich frei im Raum bewegen, und dann sieht man, wie ein Raumschiff vorbeifliegt und es ist komplett getrackt. Das hilft total bei der Kameraführung, und auch, ob man ein Gefühl dafür hat, ob das passt. Auch für den Schnitt hatten wir dann direkt etwas, dann muss man nicht einen Bluescreen anschauen. Das hat geholfen. Und dann haben wir eben, das ist ziemlich neu, ich glaub, wir waren einer der ersten Filme, fast komplett mit LEDs beleuchtet, und dadurch gibt es ja eine genaue Kontrolle zum Beispiel darüber, wie blau der Bluescreen ist, wie man Vorder- und Hintergrund trennt und Looks zum Matchen. Es gibt komplexe Szenen, die über Monate gedreht werden, mal ein Cockpit hier, mal zwei Monate später eine Totale in einem anderen Studio. Das gehört alles in die gleiche Sequenz, und das ist natürlich interessant, dass man die totale Kontrolle hat über Farben und Looks, weil man das alles abspeichern kann in dem Dimmer-Board, und dann feintweeken.

Ist LED-Licht inzwischen so stabil und kein Grading- Alptraum mehr?

Die sind sehr gut geworden, noch immer verbesserungswürdig, aber die sind so gut, dass man damit arbeiten kann. Das war RGBW, also alle Farbkanäle, und man kann ganz fein steuern. Wir haben im Prinzip Grading gemacht on set durch das Licht, wir haben die Kameradaten nicht angefasst. Im Prinzip sagt man dann „Gib mir 10 Prozent mehr Grün und vielleicht noch 200 Kelvin kühler.“ und das ist ein Klick – der Oberbeleuchter hat ein iPad und dann wird das ans große Dimmer-Board weitergesendet, und dann sieht das so aus, wie man es hoffentlich will, deswegen gibt es auch kein Dailies-Grading, alles in der Kamera.

Hat sich diese Annahme dann auch im Grading bestätigt?

Ja, das wird glaube ich das einfachste Grading, was ich jemals hatte, weil’s einfach schon so aussieht wie’s aussehen soll, man muss vielleicht noch ein paar Shots angleichen, die vielleicht ein bisschen dunkler oder heller sind, aber im Prinzip …

Hätt’ ich nie gedacht.

Ich auch nicht. Ich bin überrascht (lacht).

Vielen herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg mit dem Film.

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Er hat nicht an der Filmakademie studiert sondern an der HFF München.

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