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Interview mit Filmeditorin Ursula Höf

Anfänge und Montagetechniken: Interview mit Ursula Höf (1/2)

Auf dem Filmplus 2016 wurde Ursula Höf mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet. Wir führten für unsere Ausgabe 5/2016 ein Gespräch mit der Filmeditorin über den Nachwuchs im Schneideraum und das Verhältnis der Geschlechter.

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Ursula Höf (Bild: Klaus Eichler)

Wie sind Sie zum Filmschnitt gekommen?

Ich habe von 1967 bis 1970 Theaterwissenschaft studiert, aber dann festgestellt, dass ich nicht wirklich eine Theoretikerin bin und auch die beruflichen Aussichten nichts mit mir zu tun hatten. Aber ich hatte eine Begeisterung für den Neuen Deutschen Film, also habe ich mich umgehört, und irgendwann muss mir jemand erzählt haben, dass es diesen Beruf gibt. Ich hatte unheimliches Glück und bin gleich bei einer Spielfilmproduktion gelandet, die haben zwar grauenvolle Filme gemacht, aber ich habe in diesen Schneideräumen sehr viel gelernt.

In den 13 Monaten, in denen ich bei dieser Firma war, habe ich alles gemacht: von den ersten Mustern bis zur Mischung. Das war eine harte Schule und wirklich anstrengend, aber danach wusste ich, wie alles funktioniert. Danach habe ich als Erste Assistentin gearbeitet, da hatte ich ebenfalls sehr viel Glück und vier Jahre lang mit sehr tollen Leuten zusammengearbeitet. Und dann hatte ich die Chance, selber zu schneiden – erst Kinderfilme, dann kam das erste Kleine Fernsehspiel und so kam eins zum anderen.

Gab es bei Ihnen eine konkrete Entscheidung, ob Sie lieber Spielfilm oder Dokumentarfilm schneiden wollen?

Anfangs konnte ich diese Unterscheidung gar nicht machen. Im ersten Jahr habe ich sowieso nur Spielfilme geschnitten und erst als Assistentin Dokumentarfilme kennengelernt. Aber für mich wurde es zu einer Selbstverständlichkeit, dass man beides kann. Und beides macht.

Ich wurde auch so in diesen Beruf eingeführt, dass es keine Trennung zwischen der Montage von Kino- oder Fernsehfilmen gibt, keine Trennung zwischen szenischen, dokumentarischen oder experimentellen Filmen. Es hing immer nur davon ab, auf wen man traf und mit wem man gut arbeiten konnte. Aber ich kannte keine Editorin – und ich betone extra die weibliche Form, denn damals gab es in West-Berlin nur zwei oder drei Männer, die überhaupt am Schneidetisch arbeiteten – für die es nicht selbstverständlich war, mal das eine, und mal das andere zu machen.

Trotzdem gibt es ja Unterschiede, ob man einen Fernsehfilm oder eine Kinodokumentation schneidet …

Die Schwerpunkte sind anders. Natürlich habe ich bei einem szenischen Film, ob nun für das Kino oder das Fernsehen, das Gerüst Drehbuch. Und ich habe das Gerüst der Muster und der Reihenfolge. Das habe ich beim Dokumentarfilm nicht.

Die Montage beim Dokumentarfilm wird immer ein bisschen unterschätzt, dabei ist er inhaltlich und dramaturgisch aufwändiger, weil der Film erst im Schneideraum entsteht. Dennoch würde ich die Arbeit nicht gegensätzlich nennen, denn die Ziele sind die gleichen. Die Ziele sind emotionales Erzählen, eine Spannung und Dramaturgie aufzubauen und zu überlegen, wie man den Zuschauern etwas vermitteln und sie packen kann. Und das ist beim szenischen Film und beim Dokumentarfilm gleich.

Zumindest sollte es der gleiche Ansatz der Editoren sein. Es ist nicht das Gleiche, aber es ist das gleiche Ziel. Beim Kino kann man allerdings einer anderen Dramaturgie folgen, beim Fernsehen ist es immer ein Kampf gegen die Fernbedienung. Den Unterschied muss man natürlich wissen.

Sie haben gerade erwähnt, dass Sie damals mehr Kolleginnen hatten. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum es so viele Schnittmeisterinnen und weniger männliche Kollegen gab?

Da gibt es verschiedene Erklärungen. Zunächst mal gab es nach dem Krieg weniger Männer und somit auch nur wenige männliche Editoren. Zudem ist es eine Arbeit, die nicht in der Öffentlichkeit stattfindet, aber es gab eine ganze Reihe von Kollegen, die lieber in die Öffentlichkeit und einen Karriereschritt weitergehen wollten.

Das wollten die meisten Frauen nicht – zwar gab es da auch ein paar, aber das war eher selten, ebenso wie die Chancen dazu. Und je mehr der Autorenfilm voranschritt, umso mehr wurden auch die Frauen, zugespitzt formuliert, zu den „Dienenden“, auch wenn das für die Montage eigentlich gar nicht stimmt, denn man ist ja auch Interpretin. Aber, und das gilt für alle Editoren, wir sind nun mal nicht diejenigen, die nach vorn preschen, sondern diejenigen, die versuchen, Ideen umzusetzen und das Bestmögliche aus dem Material zu machen.

Das findet alles mehr im Hintergrund statt. Dummerweise ist mit der Tatsache, dass es immer mehr Frauen als Männer als Editoren gab, ein Prestigeverlust des Berufs einhergegangen. Dagegen kämpfen wir eigentlich immer noch an.

Schneiden denn Männer und Frauen anders?

Ich merke es bei meiner Arbeit immer wieder: Es gibt einen Unterschied zwischen dem männlichen und dem weiblichen Blick. Und ich habe es bei den Arbeiten, die ich mit männlichen Regisseuren gemacht habe, oft erlebt, dass sie durchaus auf mich gehört haben, wenn ich gesagt habe: Das geht jetzt so nicht, das können wir so nicht machen, da desavouieren wir die Figur – sowohl bei Frauen- als auch bei Männerfiguren. Und dieser Blick ist wichtig. Ich glaube, ich kann bei manchen Filmen sehen, ob sie von Männer oder Frauen geschnitten worden sind.

Sie hatten eingangs erwähnt, dass Ihnen die Theorie nicht so lag, allerdings lehren Sie jetzt Filmmontage. Sind Sie jetzt also, überspitzt gesagt, doch in der Theorie gelandet?

Als ich anfing zu lernen und zu schneiden, gab es nur ein Buch, „The Technique of Film Editing“ von Karel Reisz und Gavin Millar, und das habe ich ehrlich gesagt erst viel später gelesen. Inzwischen gibt es eine ganze Menge Bücher, wozu ich auch etwas beigetragen habe. Aber alles, was ich über Dramaturgie weiß, habe ich mir selber erarbeitet.

Das musste ich mir selber aufschreiben, selber erdenken und überprüfen. Mein Unterricht ist deshalb sehr praxisnah. Ich halte ganz selten mal Vorlesungen über Montage, aber Montage ist etwas, das sich bewegt, man muss dann mit Beispielen arbeiten. Insofern bin ich nur bedingt bei der Theorie gelandet.

Viele Editoren sprechen davon, dass Montage auch viel mit dem Bauchgefühl zusammenhängt. Wie schwierig ist es, so etwas an die Studierenden zu vermitteln?

Bei der Montage ist sehr viel Intuition und Rhythmusgefühl dabei, und mit der Erfahrung weiß man auch, wie die Bilder zusammenpassen. Natürlich diskutiere ich mit meinen Studenten dramaturgische Fragen, wenn ich sie bei ihrem ersten Dokumentarfilm begleite, aber manchmal sind es auch nur ganz simple Tipps. Wenn ich merke, dass es zwei oder drei ganz wunderbare und prägnante Bilder gibt, dann müssen wir einfach zusammen den richtigen Platz für diese Bilder finden. Damit die ihre Wirkung entfalten können.

Mit meiner langjährigen Erfahrung habe ich es natürlich leichter, ich sehe, wenn das Bild an der falschen Stelle ist, und ich sehe auch, wo es sein könnte. Und das erarbeite ich mit ihnen zusammen, ich diktiere ihnen ja nichts, das müssen sie schon selber lernen. Ich habe immer den ganzen Film im Blick, und die Studenten müssen sich Schritt für Schritt vorarbeiten.

Sie arbeiten schon seit vielen Jahren in diesem Beruf und haben die Entwicklung vom Filmschneidetisch zum digitalen Schnitt miterlebt. Ist damit eigentlich auch eine grundlegende Veränderung der Montage einhergegangen, oder haben sich nur die Systeme geändert?

Das bedingt sich natürlich gegenseitig. Die Filme haben auch anders ausgesehen, als die 16-mm-Kamera rauskam. Heute werden zum Beispiel sehr viel mehr Bildtricks verwendet als früher. Früher war das sehr aufwändig, das musste über den Tricktisch und ins Kopierwerk, das dauerte lange, bis man was gesehen hat. Heute sieht man es, wenn der Rechner schnell genug ist, sofort. Solche Sachen haben sich natürlich verändert. Aber es gibt auch eine Veränderung der Sehgewohnheiten.

Wenn ich mir heute Fernsehfilme angucke, die ich in den 1970er-Jahren geschnitten habe, da hat man sich sehr viel mehr Zeit genommen. Man lässt zum Beispiel Leute aus dem Raum gehen und sie im nächsten Raum wieder reinkommen. Das macht man heute überhaupt nicht mehr. Die Übergänge sind heute ganz anders, einfach weil die Leute wissen: Wenn einer losgeht, dann kommt der irgend – wo an. Dann kann ich ihn auch gleich ankommen lassen.

Das ist eine Frage der Sehgewohnheit und nicht nur eine Frage der Technik. Wenn man heute fahrende Autoreifen zeigt, ist das ein Rhythmuselement, dann macht man das, um ein Tempo vorzugeben, aber nicht um einen Übergang zu erzählen.

Also sind mit dem Computer die schnelleren Schnitte gekommen?

Nein, die schnelleren Schnitte bzw. kürzere Einstellungen sind nicht erst mit dem Computer aufgekommen. Ich habe damals, als ich noch Assistentin war, mit einer Editorin gearbeitet, die war ganz stolz, wenn sie so zwei, drei Felderschnitte machte. Das ging dann ratzfatz und sah auch toll aus, auch wenn man die Klebestellen und den Tesafilm sah.

Das gab es damals auch schon, aber die generelle Sehgewohnheit war natürlich eine andere. Aber es gibt immer so Moden und Wellen. Als MTV und die Videoclips aufkamen, hat man natürlich versucht, möglichst schnell zu schneiden, aber zugleich gibt es immer wieder Gegenbewegungen, gerade von Studenten, die sagen: Wir wollen das alles gar nicht, wir wollen ausführlich erzählen.

Den zweiten Teil des Interviews finden Sie hier.

 

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hallo Ursula, ich kenne dich von früher. Wir wohnten beide in Gießen, im Schwarzlachweg 40 gewohnt. Dann seid ihr in die 36 gezogen.
    Mein Name ist ist Ingrid Böhm geb. Schlenbecker.
    Ich wohne noch immer in Gießen.
    Habe heute ein Bild von uns zwei gefunden.
    Viele liebe Grüße
    Ingrid

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