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Filmplus-Preisträgerin Yana Höhnerbach im Interview

Schnitt mit Bauch und Kopf

Editorin Yana Höhnerbach wurde für ihre Arbeit an dem Film “Bruder Jakob” beim Schnittfestival Filmplus 18  mit dem „Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm“ ausgezeichnet. Über den Umgang mit einer schwierigen Hauptfigur und ihre Entscheidungsfindung sprach sie mit uns im Heft 12/2018. 

Ich selbst mag Jakob sehr gerne. Es gibt auch viele Leute, die sich wirklich absolut mit ihm identifizieren können, Glaube hin oder her, weil auch sie Zweifler und Sucher sind. Und es gibt eben diejenigen, die überhaupt nicht an ihn rankommen. Ich finde das aber gut, dass er als Figur so polarisiert. Es ist halt wichtig, dass man am Ende aus dem Film geht und diskutieren möchte. Und ich glaube, das passiert bei den meisten. Die zweite große Herausforderung im Schnitt war, dass Jakob während der Dreharbeiten ein zweites Mal konvertiert war und wie wir damit umgehen. Er sucht ja immer weiter und konvertiert dann vom Islam zum Bahaitum. Wie wir das erzählen und wie viel wir davon erzählen, war für uns sehr schwierig. Dazu wird auch oft gefragt, ob es da nicht mehr Material gegeben hätte. Es gab zwar mehr Material! … wie sie beten und solche Dinge, aber das war tatsächlich nicht mehr so relevant für uns. Es ging uns ja nicht darum, Religion zu erklären, sondern wie man mit so einer Situation umgeht und wie man wieder in eine Kommunikation kommen kann. Das ist ganz plötzlich passiert, auch für Eli, den Regisseur, der morgens den Anruf bekommen hat, und Jakob ihm gesagt hat, er konvertiert jetzt noch einmal, er ist jetzt Bahai. Für Eli, der da schon mitten im Filmprozess steckte, war das auch eine schwierige Nachricht, auch persönlich. Er war da gerade wieder seinem Bruder näher gekommen, auch durch den Film, hatte viel Verständnis für sein Leben gefunden – und dann kam wieder etwas Neues. An der Stelle, wo wir das thematisieren, haben wir viel und lange gearbeitet. Wie viel erzählt man, wie viel Erklärungen gibt man, wie plötzlich darf das kommen?

Man konnte beim Filmplus-Festival bei mehreren Beiträgen hören, dass im Schnitt viel aus dem Bauch heraus entschieden werde. War das bei „Bruder Jakob“ auch so oder bist du an diesen Film mit einem dezidiertem Konzept herangegangen?
Ich glaube, das ist immer so eine Mischung. Ganz viel passiert aus dem Bauch heraus, aber mein Kopf schaltet sich immer wieder mit ein. Ich sage oft „70 Prozent meines Films entstehen nicht am Schnittplatz!“ Ich denke immer sehr viel über die Sachen nach. Ich bin jemand, der viel mit Karteikarten arbeitet und vieles schon vorher zusammenbaut. Dabei durchdenke ich viel, warum jetzt was kommen soll. Dem geht aber immer ein Bauchgefühl voraus, also zum Beispiel, welches Bild an das Ende des Films soll. Darauf reagiere ich intuitiv und dann versuche ich mir aber selbst zu erklären, warum das so ist und womit das zusammenhängt.

In deiner Rede bei der Preisverleihung hast du er- wähnt, „Bruder Jakob“ sei die Art Film und die Art, Filme zu machen, die du dir wünschst.
Das rührt erstmal daher, dass die Zusammenarbeit mit Eli unglaublich gut und unglaublich fair war. Es gab ein großes Vertrauen von seiner Seite. Er hat mir viele Freiheiten gegeben und mit mir auf Augenhöhe gearbeitet. Komplett gleichberechtigt. Er hat selbst viel an seiner Meinung gezweifelt, aber nicht im Schlechten, sondern sich einfach in Frage gestellt – und nicht seinen Geschmack und seine Meinung als gegeben erklärt. Das ist mir schon anders passiert. Deshalb hatte ich das Gefühl, dass in einer solchen Konstellation einfach gute Filme entstehen können, und solch eine Art von Film. Während ich an Bruder Jakob gearbeitet habe, sind die ganzen Fragen, die im Film thematisiert werden, auch in mein Leben gezogen. Es hat einfach auch etwas mit mir gemacht. Es war relevant für mein persönliches Leben und, so glaube ich, dann auch für jeden Zuschauer, der den Film ansieht. Es war eine Geschichte, die erzählt werden muss und erzählt werden soll. Es hat mir unglaublich viel bedeutet, diese Geschichte erzählen zu dürfen.

Du möchtest gern relevante Geschichten erzählen?
Das würde ja die Unterhaltung ausschließen, aber wenn ich mit der Unterhaltung beim Zuschauer etwas auslösen kann, dann freut mich das natürlich auch.
Ich habe, glaube ich, das größte Problem, wenn man das Gefühl hat, man arbeitet nur um der Arbeit willen, um etwas zu tun und Geld zu verdienen und gar nicht mehr, um den Inhalt zu machen. Das kann auf Editorenseite passieren, aber auch viel auf Seiten der Regie. Da heißt es dann oft: „Aber das ist aber nun einmal unser Job!“ Es hat ja jedes Gewerk das Problem, dass wir damit eben Geld verdienen müssen.
Deswegen hat mich das so gefreut, mit einem Film den Schnittpreis zu gewinnen, bei dem beides zusammenkam. Ich hatte einen Job, aber er hat Spaß gemacht und hatte eine Bedeutung.

Lesen Sie hier, was der Schnittpreis für Yana Höhnerbach bedeutet und was ihre größte Herausforderung beim Schnitt der Dokumentation war.

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